Reha Einkaufsfuehrer
Gesetzliche Betreuung

Selbstbestimmt statt bevormundet

Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eine geistige oder psychische Behinderung haben oder die aufgrund hohen Alters geistig verwirrt oder dement sind, können Rechts- und Vermögens-Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln. Früher wurden diese Menschen durch Bestellung eines Vormundes „entmündigt“ – mit der Folge, dass sie überhaupt nichts mehr selbst bestimmen konnten.

Das 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz hat dies geändert. Den Betroffenen werden nicht mehr wie bei der Entmündigung sämtliche Rechte für alle Lebensbereiche entzogen. Stattdessen erhalten sie einen gesetzlichen Betreuer – allerdings nur für bestimmte Angelegenheiten. Der Betreuer muss die Wünsche der betreuten Person berücksichtigen. Anfang 2023 sind einige Ergänzungen zum Betreuungsgesetz in Kraft  getreten. Sie haben zum Ziel, das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person weiter zu stärken. Die  Betreuung wird vom Vormundschaftsgericht (Amtsgericht) angeordnet.

Aufgaben des Betreuers begrenzt

Im Unterschied zur früheren Vormundschaft darf die Betreuung nur für diejenigen Bereiche bestellt werden,  in denen eine Betreuung erforderlich ist. Was der Betroffene eigenständig erledigen kann, darf der Betreuungsperson nicht übertragen werden. In dem übertragenen Aufgabenkreis hat die Betreuerin oder der Betreuer die Stellung eines gesetzlichen Vertreters.

Eine der Hauptaufgaben der Betreuungsperson ist es,  sich um das persönliche Wohlergehen des Betreuten zu kümmern. Sie ist nicht nur ein Vermögensverwalter. Ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe ist vielmehr der persönliche Kontakt. Auch wenn Gespräche nicht mehr  möglich sind, muss sich die Betreuungsperson regelmäßig einen Eindruck davon verschaffen, wie es dem Betreuten geht. Der Betreuer hat auch dafür zu sorgen, dass die dem Betreuten verbliebenen Fähigkeiten  gefördert und Rehabilitationsmöglichkeiten genutzt werden. Damit sind auch die Fähigkeiten zur  Lebensbewältigung und zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten gemeint. Mindestens einmal  jährlich muss der Betreuer das Gericht über die Situation des Betreuten informieren (schriftlich oder  mündlich).

Wünsche des Betroffenen

Ziel des Betreuungsgesetzes war es vor allem, dass die Betreuungsperson nicht einfach über den Kopf des  Betreuten hinweg entscheiden darf. Vielmehr müssen die Vorstellungen und Wünsche des betreuten  Menschen ernstgenommen werden. Innerhalb der ihr objektiv gegebenen Möglichkeiten soll die  hilfsbedürftige Person nach eigenen Wünschen, also selbstbestimmt, leben können. Durch regelmäßige Gespräche soll sich der Betreuer ein Bild davon machen, was der Betreute gerne möchte und was er nicht  will. Solange es dem Wohlergehen des Betreuten nicht zuwiderläuft, muss sich der Betreuer danach richten.  Beispielsweise darf der Betreuer dem Betreuten keine sparsame Lebensführung aufzwingen, wenn  ausreichend Geld vorhanden ist. Im Klartext: Es ist nicht Aufgabe der Betreuerin oder des Betreuers, der hilfebedürftigen Person sinnvolle Leistungen oder Annehmlichkeiten vorzuenthalten, damit das spätere Erbe  geschont wird. Wünsche, die der Betreute vor dem Eintritt seiner Behinderung geäußert hat, müssen  selbstverständlich berücksichtigt werden.

Rechtliche Auswirkungen

Die Bestellung einer Betreuungsperson ist keine Entrechtung und hat als solche nicht zur Folge, dass der Betroffene geschäftsunfähig wird. Das Gericht kann allerdings für einzelne Lebensbereiche einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass die betreute Person sich selbst oder ihr Vermögen schädigt. In diesem Fall werden Rechtsgeschäfte erst dann gültig, wenn der Betreuer zustimmt.

Bei der Auswahl der Betreuungsperson kommt selbstverständlich den Wünschen des Betroffenen große Bedeutung zu. Die Befugnisse des Betreuers können auch den Bereich der Personensorge umfassen, also Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge (Erlaubnis zu medizinischen Eingriffen) und der Aufenthaltsbestimmung (Verlegung in ein Heim).

Das Betreuungsgesetz enthält darüber hinaus wichtige Regelungen zu folgenden Fragen; in vielen Fällen ist die vorherige Genehmigung des Gerichts einzuholen:

  • Wohnungsauflösung
  • Medizinische Untersuchungen und Eingriffe
  • Sterilisation
  • Freiheitsbeschränkungen (Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung, Fesseln, Bettgitter, Ruhigstellen durch Medikamente)
  • Bestimmung des Umgangs mit der betreuten Person
  • Entscheidungen über telefonische und elektronische Kommunikation
  • Entscheidungen zum Erhalt und zur Versendung von Post.

Wenn der Betreute seine Wünsche nicht mehr sagen kann, soll der Betreuer durch Erkundigungen zu früheren Äußerungen den vermutlichen Willen versuchen herauszufinden. Auch sollen die persönlichen Wertvorstellungen des Betreuten berücksichtigt werden (Religion, Weltanschauung usw.).

Angehörige können vom Betreuer Auskunft zum Wohlergehen des Betreuten verlangen, sofern dies dem Willen des Betreuten entspricht. Personen, mit denen der Betreute schon vor der Erkrankung nichts mehr zu tun haben wollte, muss der Betreuer keine Auskunft geben.

Wenn der Betreuer die Absicht hat, den Wohnsitz des Betreuten zu verlegen, zum Beispiel in ein Heim, so muss er frühzeitig das Gericht hierüber informieren. Es ist ratsam, dabei die Gründe oder Vorkommnisse anzugeben und zum Beispiel eine ärztliche Stellungnahme beizufügen.

Nur in dringenden Notfällen, in denen das Gericht nicht rechtzeitig kontaktiert werden kann, darf der Betreuer Entscheidungen außerhalb seiner Zuständigkeitsbereiche treffen. In allen Fällen von Notmaßnahmen muss das Gericht schnellstmöglich nachträglich informiert werden.

Neu: Notvertretungsrecht von Ehepartnern

Zusammen mit der Überarbeitung des Betreuungsrechts hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2023 erstmals auch ein Notvertretungsrecht für Ehegatten in Bezug auf ärztliche Maßnahmen eingeführt. Wenn eine Person aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht entscheidungsfähig ist, darf der Ehepartner die Entscheidung zur Durchführung oder Beendigung von medizinischen Maßnahmen und zu Behandlungsverträgen treffen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn keine gesetzliche Betreuung besteht, keine Vorsorgevollmacht vorliegt und die Ehepartner nicht getrennt leben. Mit dieser Regelung wurde eine wichtige Gesetzeslücke geschlossen – vor allem auch um das medizinische Personal zu schützen und ein rasches Eingreifen in Notsituationen zu ermöglichen. Die längst überfällige Regelung entspricht ohne Zweifel dem Rechtsempfinden einer breiten Mehrheit der Bevölkerung. Schließlich ist die Ehe ein Bund für gute und für schlechte Tage.

Frühzeitig vorsorgen

Für den Fall, dass man seine Angelegenheiten eines Tages nicht mehr regeln kann, sollte man frühzeitig Vorsorge treffen. Man kann zum Beispiel eine sogenannte Betreuungsverfügung aufschreiben. Darin kann man für den eventuellen Betreuungsfall jemanden als Betreuer vorschlagen und bestimmte Wünsche äußern. Diese Betreuungsverfügung sollte einer Person des Vertrauens übergeben werden.

Zusätzlich kann man in gesunden Tagen für den Fall der eigenen Hilflosigkeit einer Person seines Vertrauens die Wahrnehmung einzelner oder aller Vermögensangelegenheiten übertragen. Diese Person kann dann „im Fall der Fälle“ sofort handeln, ohne dass es weiterer Entscheidungen bedarf. Wenn es erforderlich ist, kann daneben ein Betreuer bestellt werden, der den Bevollmächtigten kontrolliert.

Solche Vorsorgevollmachten können von den Betreuungsbehörden beglaubigt werden. Auf Wunsch können sich Bevollmächtigte wie auch die gesetzlichen Betreuer bei den Betreuungsbehörden und Betreuungsvereinen beraten lassen. Betreuungsvereine dürfen bei der Erstellung von Vorsorgevollmachten unterstützen. Vorsorgevollmachten können beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) hinterlegt werden.

Unbedingt zu empfehlen ist ergänzend zur Vorsorgevollmacht eine Patientenverfügung, in der man Wünsche für den medizinischen Notfall festlegt. Ausführliche Broschüren hierzu mit Musterformulierungen gibt’s z.B. bei der Stiftung Warentest und bei der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Über Einzelheiten zur Betreuungsverfügung und zur Vorsorgevollmacht (mit Beispielen) sowie über die wichtigsten Fragen des Betreuungsrechts informiert sehr anschaulich die Broschüre „Betreuungsrecht“ des Bundesministeriums der Justiz. Sie kann auf der Internetseite des Ministeriums (www.bmj.bund.de) bestellt oder als PDF-Datei heruntergeladen werden.

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