Reha Einkaufsfuehrer

Behinderung

Wie wird meine Behinderung „anerkannt“?

franke

Damit Menschen die ihnen aufgrund der Behinderung zustehenden Rechte wahrnehmen können, muss die Einschränkung als Behinderung „anerkannt“ sein.

Zur Feststellung der Behinderung – so der offizielle Ausdruck – stellt man einen Antrag an das für den Wohnort zuständige Versorgungsamt. Den Antragsvordruck gibt es dort und bei der Gemeinde und im Internet.

Ganz besonders wichtig ist es, neben den Gesundheitsstörungen (den medizinischen Diagnosen), die damit verbundenen Funktionseinschränkungen anzugeben. Da sie die Auswirkungen der Beeinträchtigung darstellen, kommt ihnen bei der Bemessung des Grades der Behinderung eine besondere Bedeutung zu. Wenn eine Gesundheitsstörung zu Folgeschäden geführt hat, sollten auch diese angegeben werden.

Im eigenen Interesse liegt es, alle erheblichen Beeinträchtigungen anzugeben. Man kann allerdings auf die Berücksichtigung bestimmter Einschränkungen verzichten, zum Beispiel eine psychische Einschränkung. Diese Umstände werden dann bei der Feststellung des Grades der Behinderung nicht einbezogen und im Bescheid nicht erwähnt.

Die Feststellung der Behinderung kann rückwirkend beantragt werden; bezogen auf den Zeitpunkt, da die Gesundheitsstörung eingetreten ist (z.B. ein Unfall oder eine Operation). Dem Antrag sollte man bereits Kopien von ärztlichen Bescheinigungen beifügen. Zur Begründung des Antrages muss man die Ärzte angeben, die zu den geltend gemachten Beeinträchtigungen Aussagen machen können. Das Versorgungsamt wird von diesen Auskünfte einholen und hierfür auch die Kosten übernehmen.

Es ist daher sehr wichtig, mit den Ärzten persönlich über den Antrag zu sprechen und sie zu bitten, in ihren Stellungnahmen neben den Diagnosen auch die damit verbundenen Funktionseinschränkungen anzugeben (z.B. „kann nur 50 Meter weit ohne Hilfe gehen“ oder „kann nur 3 kg tragen“). Sie können auch Untersuchungsberichte von anderen Ärzten einreichen.

Der Grad der Behinderung wird vom Versorgungsamt unter Beteiligung des eigenen ärztlichen Dienstes festgelegt. Im Interesse der Gleichbehandlung hat das Bundessozialministerium eine Liste herausgegeben, in der alle möglichen Beeinträchtigungen mit einer Zahl für den Grad der Behinderung angegeben sind (Versorgungsmedizinverordnung).

Wenn mehrere Behinderungen vorliegen, wird aus den einzelnen Behinderungsgraden ein Gesamtwert ermittelt. Das geschieht allerdings nicht durch Zusammenzählen, sondern durch eine Bewertung, bei der es auch auf das mögliche Zusammenwirken der verschiedenen Einschränkungen ankommt.

Im Feststellungsbescheid stellt das Versorgungsamt die Behinderung fest (sofern sie vorliegt) und legt den Grad der Behinderung (GdB) in Zehnerstufen bis 100 fest. Wenn der GdB 50 und mehr beträgt, liegt eine Schwerbehinderung vor. Diese Personen erhalten den Ausweis. Durch Zusatzangaben (z.B. „G“ für gehbehindert, „aG“ für „außergewöhnlich gehbehindert“) wird festgelegt, dass die betreffende Person besondere Rechte („Nachteilsausgleiche“) in Anspruch nehmen kann. Diese Zusatzangaben im Ausweis heißen „Merkzeichen“.

Hilfen für Behinderte im Beruf: Auf eigenen Füßen stehen

franke

„Selbstbestimmt leben“ – diese Forderung aus der Behindertenhilfe hat eine ganz besondere Bedeutung, wenn es um Arbeit und Beruf geht. Eine Erwerbstätigkeit auszuüben ist nicht nur wichtig für den Lebensstandard. Selbst den Lebensunterhalt zu verdienen, „auf eigenen Füßen zu stehen“, bedeutet gerade für behinderte Menschen ein großes Stück Unabhängigkeit von fremder Hilfe – und von Bevormundung. Mit einem Arbeitseinkommen ist nicht zuletzt auch eine stärkere soziale Sicherung verbunden. Eine Berufstätigkeit hat aber auch eine andere Bedeutung: Sie vermittelt gesellschaftliche Anerkennung ebenso wie persönliche Befriedigung und Selbstwertgefühl.

Dass alle schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben gesetzlichen Schutz genießen und die gleichen Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen können, ist erst Mitte der siebziger Jahre durch das Schwerbehindertengesetz geregelt worden. Bis dahin waren die Hilfen von der Ursache der Behinderung (z.B. Krieg oder Arbeitsunfall) abhängig. Heute finden sich die Regelungen im „Neunten Buch des Sozialgesetzbuches“ (abgekürzt: SGB IX).

Für die Integration Behinderter in das Arbeitsleben gibt es drei Hauptinstrumente:

  • die „Begleitende Hilfe“ im Beruf,
  • die Erhebung einer Ausgleichsabgabe und
  • der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

Wenn ein Arbeitgeber eine schwerbehinderte Person einstellen will, kann die Agentur für Arbeit erhebliche Lohnzuschüsse auch über einen längeren Zeitraum gewähren. Für junge und besonders betroffene Schwerbehinderte werden besondere Anstrengungen unternommen. Auch bei der individuellen Arbeitsplatzausstattung wird dem Arbeitgeber geholfen: Fördermittel und technische Beratung durch Ingenieure kommen vom Integrationsamt. Weitere mögliche Kostenträger sind die Renten- und die Unfallversicherung – je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Begleitende Hilfe mit Frühwarnsystem

Einen Arbeitsplatz zu bekommen ist eine Sache – ihn zu behalten eine andere. Deshalb gibt es eine begleitende Hilfe und – sozusagen als „Frühwarnsystem“ – betriebliche Helfer des Integrationsamtes. Gemeint sind damit die Schwerbehindertenvertretung („Vertrauensleute“) und der Beauftragte des Arbeitgebers für Schwerbehinderte. Sie sollen regelmäßigen Kontakt halten zu den Betroffenen und beim Auftreten von Problemen frühzeitig Lösungen vorschlagen bzw. Fachleute hinzuziehen. Neben der umfassenden Beratung der Arbeitgeber und der schwerbehinderten Frauen und Männer gibt es eine breite Palette von Fördermöglichkeiten.

Wer ist schwerbehindert?

Schwerbehindert ist eine Person, wenn ihr das Versorgungsamt einen „Grad der Behinderung (GdB)“ von wenigstens 50 bescheinigt. Sie erhält den Schwerbehindertenausweis, der auch weitere Angaben zur Behinderung enthalten kann. Personen mit einem GdB von 30 bis 50 können in der beruflichen Behindertenhilfe Förderung bekommen, wenn dadurch ein Arbeitsverhältnis geschaffen oder eine Kündigung verhindert werden kann. Sie werden in dieser Hinsicht Schwerbehinderten gleichgestellt.

Da für eine Reihe von Behinderungen spezielle fachliche Beratung und individuelle Betreuung notwendig sind, gibt es inzwischen Integrationsfachdienste, die hauptsächlich von den Integrationsämtern finanziert werden. Diese Dienste kümmern sich um die individuellen Belange besonders betroffener Schwerbehinderter, wie z.B. psychisch Behinderte, Gehörlose, Blinde und junge Behinderte.

Kündigungsschutz ist keine Unkündbarkeit!

Damit das Integrationsamt überhaupt von Problemen Schwerbehinderter im Beruf erfährt und damit eine Chance erhält, seine Instrumente anzubringen, gibt es für Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz. In vielen Fällen kann es nämlich – z.B. durch Hilfen am Arbeitsplatz auf Vorschlag des Technischen Fachdienstes, durch den Einsatz der Integrationsfachdienste und durch Arbeitsassistenz – die Arbeitsverhältnisse retten.

Die weit wichtigere Bedeutung des Kündigungsschutzes liegt allerdings im Vorfeld: Da alle Beteiligten die Kündigung vermeiden wollen, bemühen sie sich sehr frühzeitig um Abhilfe. Deshalb auch das oben erwähnte „Frühwarnsystem“.

Entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil stellt dieser Kündigungsschutz keine Unkündbarkeit dar! Nachweislich wird die Zustimmung zur Kündigung durch die Integrationsämter in den weitaus meisten Fällen erteilt, denn oft liegen dabei betriebliche Gründe vor (Auftragsmangel, Betriebsstilllegung etc.). Bei persönlichem Fehlverhalten kann es sogar eine Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung geben.

Ausgleichsabgabe

Für die Finanzierung neuer Arbeitsplätze, der Begleitenden Hilfe sowie für Schulungen und Informationsmaterial für die betrieblichen Helfer verfügen die Integrationsämter über einen „Sondertopf“, die Mittel der Ausgleichsabgabe. Nach dem Sozialgesetzbuch ist jeder Arbeitgeber ab 40 Arbeitnehmern verpflichtet, fünf Prozent Schwerbehinderte zu beschäftigen. Wird diese „Pflichtquote“ nicht erfüllt, so ist pro nicht besetztem Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe zu leisten. Die Höhe der Abgabe ist gestaffelt: Betriebe, die sehr wenig Schwerbehinderte beschäftigen, müssen eine höhere Abgabe zahlen. Für Firmen unter 60 Beschäftigten gibt es Sonderregelungen.

Diese Mittel dürfen nur für die berufliche Behindertenhilfe verwendet werden. Diese Abgabe versucht einen Ausgleich zwischen den Arbeitgebern herzustellen, daher ihr Name. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden für folgende Zwecke verwendet: Bau und Ausstattung von Behindertenwerkstätten sowie Wohnheimen (für Behinderte, die in einer Werkstatt arbeiten), Neuschaffung und behinderungsgerechte Umgestaltung von Arbeitsplätzen inkl. Umfeld, Beratungsdienste, berufliche Fortbildung von Behinderten, behinderungsgerechter Umbau des Zugangs zur Wohnung eines Schwerbehinderten, Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Umbau PKW).

Erleichterungen für behinderte Menschen

franke

Menschen mit Behinderungen haben in vielen Lebensbereichen mit besonderen Schwierigkeiten und Benachteiligungen zu kämpfen. Deshalb werden ihnen auf zahlreichen Gebieten „Nachteilsausgleiche“ gewährt.

„Das sind aber viele Regelungen“, denkt mancher, der zum ersten Mal eine Übersicht über die Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen sieht. Seien Sie froh! Denn durch diese Regelungen wird Ihnen – wenn Sie betroffen sind – vielleicht geholfen!

Hier eine Übersicht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!):

Steuern

  • Schwerbehinderte erhalten unabhängig von der Art der Behinderung je nach Grad der Behinderung (GdB) bei der Einkommensteuer einen pauschalen Steuerfreibetrag zwischen 384 Euro und 2.840 Euro jährlich. Für Hilflose, Blinde und Personen mit Pflegegrad 4 oder 5 beträgt dieser 7.400 Euro.
  • Diese Sätze wurden zum 1.1.2021 erstmals seit Jahrzehnten angehoben und gegenüber den zuvor geltenden Beträgen gleich verdoppelt. Die Pauschale gilt immer für das ganze Kalenderjahr, auch wenn die Behinderung erst im Laufe des Jahres festgestellt wird. Das Gleiche gilt auch bei der Feststellung eines höheren GdB. Die Pauschbeträge unterliegen nicht dem Abzug eines Eigenanteils! Der Gesetzgeber denkt: Wenn Du den Pauschbetrag beantragst, ist das Thema damit erledigt.
  • Höhere Ausgaben müssen die behinderten Personen nachweisen. Das bedeutet: Quittungen sammeln und Aufzeichnungen führen. Außerdem wird ein „zumutbarer Eigenanteil“ abgezogen.
Pauschbeträge bei der Einkommensteuer
GdB Pauschbetrag in Euro
20 384
30 620
40 860
50 1.140
60 1.440
70 1.780
80 2.120
90 2.460
100 2.840
Hilflos/Blind 7.400
Pauschbetrag
für Hinterbliebene
370

Aufgepasst: Bei rückwirkender Feststellung der Behinderung bzw. Erhöhung des GdB werden auf Antrag (!) vom Finanzamt Steuern auch für vorangehende Jahre erstattet. Das gilt sogar dann, wenn die Steuerbescheide schon bestandskräftig sind. Unser Tipp: Stellen Sie den Antrag auf rückwirkende Erstattung sofort nach Erhalt des Feststellungsbescheides.

Arbeitnehmer können vom Finanzamt den Pauschbetrag als Freibetrag in die Lohnsteuermerkmale (ELStAM) eintragen lassen, damit sie schon im laufenden Jahr etwas davon haben. Es kann auch der Pauschbetrag des Ehegatten eingetragen werden. In der Regel werden die Pauschbeträge automatisch in den Folgejahren berücksichtigt, längstens allerdings für die Gültigkeitsdauer des Behindertenausweises. Unser Tipp: Bei der Umstellung der Sätze zum 1.1.2021 kann es zu Fehlern gekommen sein. Betroffene sollten die Angaben auf der Gehaltsabrechnung kontrollieren und ggf. beim Finanzamt eine Änderung beantragen.

  • Statt der Pauschale (z.T. auch zusätzlich) können bestimmte tatsächliche Kosten angesetzt werden, allerdings unter Abzug eines zumutbaren Eigenanteils. Das empfiehlt sich in der Regel, wenn die tatsächlichen Kosten die Pauschale deutlich übersteigen.
  • Behinderte Eltern können unter bestimmten Voraussetzungen begrenzt Kinderbetreuungskosten geltend machen.
  • Eltern eines behinderten Kindes können unter bestimmten Voraussetzungen den Pauschbetrag des Kindes auf sich übertragen lassen.
  • Bei erwachsenen behinderten Kindern, die sich nicht selbst unterhalten können, erhalten die Eltern unabhängig vom Alter des Kindes, Kindergeld oder Kinderfreibetrag, wenn die Behinderung bei dem Kind schon vor dem 25. Lebensjahr vorgelegen hat.
  • Einen Pflegepauschalbetrag oder nachgewiesene Kosten kann geltend machen, wer persönlich eine pflegebedürftige Person in der eigenen oder deren Wohnung pflegt, ohne Einnahmen hierfür zu erhalten. Folgender Pflegepauschalbetrag wird gewährt:
bei Pflegegrad 2: 600 Euro
bei Pflegegrad 3: 1.100 Euro
bei Pflegegrad 4 und 5: 1.800 Euro
  • Der Betrag wird ggf. unter mehreren Pflegepersonen aufgeteilt und in voller Höhe als Jahresbetrag gewährt, auch wenn der Pflegebedarf erst im Laufe des Jahres entstanden ist oder endete, weil z.B. der/die Pflegebedürftige starb.

  • Im Einkommensteuerrecht wurden zum 1.1.2021 die Ermäßigungen für Fahrten von behinderten Menschen vollkommen neu geregelt.
  • Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten können nun nicht mehr in der tatsächlichen Höhe angegeben werden. Es wird – unabhängig von Fahrleistungen und Verkehrsmitteln – nur noch eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale) und zwar in wei Stufen:
  • 1. Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, können eine Pauschale von 900 Euro geltend machen.
  • 2. Personen mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“, „TBl“ oder „H“, erhaltenen eine Pauschale von 4.500 Euro.

Wenn man die für Dienstreisen geltende Kostenpauschale von 30 Cent pro km zugrunde legt, werden der ersten Gruppe somit 3.000 km und der zweiten Gruppe 15.000 km zugestanden. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber die betroffenen Menschen vom lästigen Sammeln von Belegen und Führen 2021/22 Behinderung 57 von Aufzeichnungen sowie die Finanzämter vom Prüfen der Angaben entlasten – auch hier nach dem Motto „Thema erledigt!“.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Die Pauschalsätze für Fahrten werden – anders als die Pauschalsätze für Behinderungen – den „außergewöhnlichen Belastungen“ zugerechnet. Alle in der Steuererklärung angegebenen außergewöhnlichen Belastungen (behinderungsbedingte Kosten, medikamentenkosten, Klinikaufenthalte usw.) zusammen werden nur oberhalb eines Eigenanteils („zumutbare Belastung“) berücksichtigt. Der Eigenanteil ist nach Einkommen und Familienstand gestaffelt.

Daneben können behinderte Arbeitnehmer/innen ganz normal - wie alle anderen - die Kosten für die Fahrt zur Arbeit bei den Werbungskosten geltend machen (30 Cent pro Entfernungskilometer). Eine Sonderregelung gibt es für die Fälle, in denen ein besonders betroffener Behinderter zur Arbeit gebracht und von dort wieder abgeholt wird. Hier ist die Anerkennung der Leerfahrten möglich, und zwar auch dann, wenn das Fahrzeug nicht auf die behinderte Person zugelassen ist.

Bei Arbeitsagenturen und Integrationsämtern gibt es Finanzhilfen zu Beschaffung und Umrüstung eines KFZ. Achtung: Wie immer bei Fördermaßnahmen muss Ihnen die schriftliche Bewilligung vorliegen, bevor Sie das Auto bestellen oder die Umrüstung beauftragen! In eiligen Fällen beantragen Sie einen förderunschädlichen „vorzeitigen Maßnahmebeginn“ und lassen sich diesen schriftlich bestätigen. Damit gehen Sie aber das Risiko ein, dass Sie – bei Nichtvorliegen der Fördervoraussetzungen – die Kosten allein tragen.

  • Schwerbehinderten Haltern eines KFZ, die hilflos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind, wird die KFZ-Steuer erlassen. Eine Halbierung der KFZ-Steuer gibt es für Schwerbehinderte, die gehörlos oder behinderungsbedingt im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, falls sie nicht die „Freifahrt“ im öffentlichen Nahverkehr in Anspruch nehmen. Andere Personen dürfen das KFZ dann aber nur unter zum Transport der behinderten Person oder für deren Haus haltsführung benutzen. Die KFZ-Steuer wird neuerdings vom Zoll erhoben, www.zoll.de, Telefon 0351-44834-550. (Auskünfte zu sonstigen steuerlichen Regelungen: Finanzamt bzw. Steuerberater)

© Uwe Steinkrüger

Verkehr

Die sogenannte Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr erhalten schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt sind. Ebenso blinde, gehörlose und hilflose Personen. Am Schwerbehindertenausweis ist dies durch einen Flächenaufdruck in Orange zu erkennen. Die betreffenden Personen können deutschlandweit alle Verkehrsverbünde kostenfrei nutzen, müssen aber hierfür als Eigenanteil eine Wertmarke von 91 Euro pro Jahr bzw. von 46 Euro für sechs Monate (z.B. März bis September) erwerben. Für Hilflose, Blinde und Bezieher von Hilfen zum Lebensunterhalt sowie kriegs- und wehrdienstgeschädigte Personen ist die Marke kostenlos.

Wenn der Ausweis den Vermerk für eine Begleitperson enthält (Merkzeichen B) fährt die Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostenlos. (Übrigens: Die Feststellung des Merkzeichens B bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt.)

Parkplatz: Für Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (aG) stellen die Gemeindeverwaltungen auf Antrag besondere blaue Parkausweise aus, die inzwischen EU-weit gelten. Diese berechtigen zum Parken auf Behindertenparkplätzen (blaues Verkehrsschild mit Rolli-Symbol) sowie bis zu drei Stunden (nachzuweisen durch die Parkscheibe!) im eingeschränkten Halteverbot. Das gilt auch, wenn die behinderte Person gefahren wird. Wenn allerdings jemand das Auto der behinderten Person benutzt, ohne dass diese gebracht bzw. abgeholt wird (sog. Erledigungsfahrten), darf der Parkausweis nicht genutzt werden. Fahrzeuge, die unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz abgestellt sind, können sofort abgeschleppt werden, denn – so die Gerichte – schwer gehbehinderte Menschen müssen darauf vertrauen können, dass an bestimmten Plätzen, z.B. Bahnhöfen, immer ein Behindertenparkplatz frei ist, und zwar gerade auch dann, wenn die anderen Parkplätze restlos belegt sind.

Auf einem Parkplatz, der für eine bestimmte behinderte Person (bzw. ihr Fahrzeug) reserviert ist, dürfen auch andere behinderte Menschen nicht parken! Sie riskieren ein Abschleppen Ihres Fahrzeuges, da die berechtigte Person auf die Nutzung des Parkplatzes angewiesen ist.

Ergänzend zum blauen Parkausweis gibt es in Deutschland auch orange Ausweise für Menschen, die nicht die Kriterien für „aG“ erfüllen. Die orangen Ausweise gewähren die gleichen Parkerleichterungen. Auf den  Behindertenparkplätzen (Rolli-Symbol) darf damit aber nicht geparkt werden! Den orangen Ausweis erhalten Personen mit GdB 80 + Merkzeichen G sowie einige besonders betroffene Schwerbehinderte. Auskünfte zu  den blauen und orangen Parkausweisen erteilen die örtlichen Verkehrsbehörden. Der Missbrauch der blauen  Parkausweise (Nutzung ohne Beisein der berechtigten Person) wird übrigens durch die Gerichte streng  bestraft – ebenso wie das Kopieren der Ausweise.

Fernsehgebühren

Viele schwerbehinderte Personen können an Konzerten, Theaterdarbietungen und anderen Veranstaltungen aufgrund ihrer Behinderung nicht teilnehmen, z.B. Blinde, Gehörlose, stark Seh- oder Hörbehinderte. Daher wird Ihnen eine Erleichtung bei der Rundfunkgebühr gewährt. Seit 2013 gilt folgende Regelung: Mit Ausnahme von Beziehern von Blindenhilfe, Taubblinden und pflegebedürftigen Heimbewohnern müssen auch Personen mit dem Merkzeichen „RF“ im Schwerbehindertenausweis einen Betrag von 6,12 Euro monatlich an die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) zahlen (ein Drittel des normalen Beitrages). Schwerbehinderte Empfänger von Sozialleistungen (wie z.B. Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG) können bei der GEZ eine Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragen. Personen mit dem Merkzeichen „RF“ sollten bei der Telefongesellschaft nach einem Sozialanschluss fragen.

Behinderte Studenten

Für behinderte Studenten kann der Bezug von Ausbildungsförderung verlängert werden. Außerdem werden – je nach Einzelfall – bestimmte Materialien, Hilfsmittel oder in besonders gelagerten Fällen auch ein Auto vom überörtlichen Sozialhilfeträger („Landessozialamt“) finanziert. Auskünfte erteilen die Studentenwerke.

Blindengeld

Blinde Personen erhalten Blindengeld, zumeist von den Landessozialämtern. Die Regelungen sind in den Bundesländern unterschiedlich. In NRW erhalten auch gehörlose und stark sehbehinderte Menschen eine kleine regelmäßige Geldleistung. Auskunft: Sozialamt, in NRW die Landessozialämter bei den Landschaftsverbänden.

Wohnungsbau

Besonderheiten für Menschen mit Behinderungen gibt es auch im Wohnungsbau. Hier bestehen steuerliche Erleichterungen und Sonderregelungen für öffentliche Mittel (Auskunft: Wohnungsbauämter).

Berufstätige Schwerbehinderte können für die Beschaffung von Wohnraum oder den Umzug in eine behinderungsgerechte Wohnung Fördermittel (Zuschüsse oder Darlehen) beantragen. Für behinderungsbedingte Umbauten innerhalb und außerhalb der eigenen oder der gemieteten Wohnung (z.B. Rampen) können sie einkommensunabhängige Zuschüsse beantragen. Zuständig: Arbeitsagentur oder Rentenversicherung.

Für berufstätige Schwerbehinderte gibt es in gewissen Einkommensgrenzen die Möglichkeit, für den Erwerb von Wohneigentum ein zinsgünstiges Darlehen zu beantragen. Zuständig: Arbeitsagentur (Abteilung für schwerbehinderte Menschen), Rentenversicherung oder Integrationsamt. Bei welcher der drei Stellen Sie den Antrag einreichen, ist für Sie unerheblich. Der Antrag muss von dort an die zuständige Stelle geleitet werden; der Antrag gilt mit dem Eintreffen bei der ersten Verwaltung als eingereicht. Tipp: Auch in Behörden kommt manchmal ein Brief weg; deshalb den Erstantrag immer per Einschreiben schicken.

Auch hier gilt: Vor dem Start der geplanten Maßnahme muss Ihnen die schriftliche Zusage der zuständigen Stelle vorliegen! Anträge müssen deshalb rechtzeitig vor Baubeginn oder Kauf gestellt werden. Wenn es sehr eilig ist, beantragt man einen „vorzeitigen Maßnahmebeginn“.

Eine Bemerkung zum Schluss: Angesichts des hohen Änderungstempos in der Gesetzgebung kann für die hier gemachten Angaben keine Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit übernommen werden. Bitte lassen Sie sich fachkundig beraten, z.B. durch Finanzämter und Steuerberater, die zuständigen Institutionen oder durch eine Organisation für Menschen mit Behinderungen.

Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – darum geht's behinderten Menschen

franke

Behinderung ist immer auch Behinderung durch andere! So ist auch die Aussage zu verstehen „Man ist nicht behindert, man wird behindert!“ Ein großer Erfolg für die Behindertenorganisationen war daher die Einfügung eines Benachteiligungsverbots für Behinderte ins Grundgesetz vor einigen Jahren. Was aber ist eine Behinderung?

Im Alltag hört man es immer noch: Für viele Menschen ist „gesund“ das Gegenteil von behindert; sie unterscheiden „Behinderte“ von „Gesunden“. Dabei leuchtet es nach kurzem Überlegen ein, dass ein kranker Mensch nicht unbedingt behindert ist und dass andererseits ein behinderter Mensch sehr wohl gesund sein kann.

Wie der Tod gehören Krankheiten zu unserem Leben. Die meisten Krankheiten können heute geheilt werden – wenn sie nicht sogar von selbst verschwinden. Krankheit ist deshalb – weil vorübergehend – noch lange keine Behinderung! Das Gleiche gilt für Verletzungen, zum Beispiel nach einem Unfall. Richtig ist es daher, von behinderten und nicht behinderten Menschen zu sprechen. Was aber ist genau eine Behinderung?

Erst, wenn Erkrankung oder Unfall dauerhafte oder zumindest länger währende Beeinträchtigungen nach sich ziehen, kann eine Behinderung vorliegen. Der moderne Behinderungsbegriff stellt aber nicht allein auf körperliche, geistige oder seelische „Funktionsbeeinträchtigungen“ ab, sondern auf die sozialen Auswirkungen dieser Einschränkungen. Dies ist auf das gesamte Zusammenleben und nicht (wie früher) allein auf die Erwerbsfähigkeit bezogen, denn eine Behinderung macht sich in vielen Bereichen des Lebens bemerkbar: beim Wohnen, beim Einkaufen, in der Freizeit und im Beruf. Maßgeblich ist also für eine Behinderung, ob durch die körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Dementsprechend lautet die gesetzliche Definition von Behinderung (im Behindertengleichstellungsgesetz und im „Neunten Buch des Sozialgesetzbuches“ (abgekürzt: SGB IX):

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Damit wird zugleich gesagt, dass die Teilhabe behinderter Menschen das Ziel der Behindertenpolitik ist.

Für die Feststellung einer Behinderung ist die Ursache unerheblich. Die Ursache spielt allerdings eine große Rolle dabei, welcher Rehabilitationsträger einzuschalten ist. Schon 1986 wurde der Begriff „Grad der Behinderung“ (abgekürzt: GdB) anstelle der Bezeichnung „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ eingeführt. Mit dem neuen Begriff wird klargestellt, dass die Einschränkungen alle Lebensbereiche betreffen und nicht nur das Erwerbsleben. Außerdem sagte der alte Begriff entgegen dem Wortsinn nichts über die berufliche Leistungsfähigkeit einer behinderten Person aus. Denn: Ein behinderter Mensch mit einem GdB von 100 kann am „richtigen“ Arbeitsplatz die volle Leistung erbringen. Unsere Bitte: Im Zusammenhang mit einer Behinderung sollte das Wort „Prozent“ deshalb gar nicht mehr auftauchen.