Reha Einkaufsfuehrer

Redaktion

Wenn das Geld für die Pflege nicht reicht

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Ein neues Gesetz entlastet die meisten Angehörigen

Bis 2019 wurden Kinder vom Sozialamt zu Zahlungen aufgefordert, wenn Mutter oder Vater im Pflegeheim waren. Für viele Kinder von pflegebedürftigen Eltern wird sich das Problem eines Pflichtbeitrages zu den Kosten der Pflege nun nicht mehr stellen. Zum 1. Januar 2020 ist ein Gesetz in Kraft getreten, wonach die Sozialämter eine unterhaltspflichtige Person erst ab einem Brutto-Jahreseinkommen ab 100.000 Euro zu den Kosten heranziehen können. Zum Einkommen zählen alle Einkünfte also z.B. auch Einnahmen aus Vermietung oder Kapitaleinkünfte. Auch auf das Vermögen eines Angehörigen kann aufgrund der neuen Regelung nicht zugegriffen werden, wenn das Einkommen unter 100.000 Euro liegt.

Wichtig: Diese Regelung betrifft sowohl die Heranziehung von Kindern für pflegebedürftige Eltern als auch umgekehrt die Heranziehung von Eltern für die Pflege eines erwachsenen Kindes. Zur Begründung für die neue Regelung sagte Bundessozialminister Hubertus Heil, Eltern und Kinder seien durch die Pflegebedürftigkeit eines Angehörigen oft stark belastet und trügen eine große Verantwortung. "Wir nehmen ihnen jetzt die Angst vor unkalkulierbaren finanziellen Forderungen."

Nach dem neuen Gesetz sind außerdem Menschen von Zuzahlungen befreit, deren Angehörige aufgrund einer Behinderung Anspruch auf eine sogenannte Eingliederungshilfe haben – etwa auf finanzielle Hilfe für den Umbau einer barrierefreien Wohnung oder auf einen Gebärdensprachdolmetscher.

© Uwe Steinkrüger

Selbstbestimmt statt bevormundet

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Viele Mitbürgerinnen und Mitbürger, die eine geistige oder psychische Behinderung haben oder die aufgrund hohen Alters geistig verwirrt oder dement sind, können Rechts- und Vermögens-Angelegenheiten nicht mehr selbst regeln. Früher wurden diese Menschen durch Bestellung eines Vormundes „entmündigt“ – mit der Folge, dass sie überhaupt nichts mehr selbst bestimmen konnten.

Das 1992 in Kraft getretene Betreuungsgesetz hat dies geändert. Den Betroffenen werden nicht mehr wie bei der Entmündigung sämtliche Rechte für alle Lebensbereiche entzogen. Stattdessen erhalten sie einen gesetzlichen Betreuer – allerdings nur für bestimmte Angelegenheiten. Der Betreuer muss die Wünsche der betreuten Person berücksichtigen. Anfang 2023 sind einige Ergänzungen zum Betreuungsgesetz in Kraft  getreten. Sie haben zum Ziel, das Selbstbestimmungsrecht der betreuten Person weiter zu stärken. Die  Betreuung wird vom Vormundschaftsgericht (Amtsgericht) angeordnet.

Aufgaben des Betreuers begrenzt

Im Unterschied zur früheren Vormundschaft darf die Betreuung nur für diejenigen Bereiche bestellt werden,  in denen eine Betreuung erforderlich ist. Was der Betroffene eigenständig erledigen kann, darf der Betreuungsperson nicht übertragen werden. In dem übertragenen Aufgabenkreis hat die Betreuerin oder der Betreuer die Stellung eines gesetzlichen Vertreters.

Eine der Hauptaufgaben der Betreuungsperson ist es,  sich um das persönliche Wohlergehen des Betreuten zu kümmern. Sie ist nicht nur ein Vermögensverwalter. Ein wichtiger Teil ihrer Aufgabe ist vielmehr der persönliche Kontakt. Auch wenn Gespräche nicht mehr  möglich sind, muss sich die Betreuungsperson regelmäßig einen Eindruck davon verschaffen, wie es dem Betreuten geht. Der Betreuer hat auch dafür zu sorgen, dass die dem Betreuten verbliebenen Fähigkeiten  gefördert und Rehabilitationsmöglichkeiten genutzt werden. Damit sind auch die Fähigkeiten zur  Lebensbewältigung und zur Wahrnehmung der eigenen Angelegenheiten gemeint. Mindestens einmal  jährlich muss der Betreuer das Gericht über die Situation des Betreuten informieren (schriftlich oder  mündlich).

Wünsche des Betroffenen

Ziel des Betreuungsgesetzes war es vor allem, dass die Betreuungsperson nicht einfach über den Kopf des  Betreuten hinweg entscheiden darf. Vielmehr müssen die Vorstellungen und Wünsche des betreuten  Menschen ernstgenommen werden. Innerhalb der ihr objektiv gegebenen Möglichkeiten soll die  hilfsbedürftige Person nach eigenen Wünschen, also selbstbestimmt, leben können. Durch regelmäßige Gespräche soll sich der Betreuer ein Bild davon machen, was der Betreute gerne möchte und was er nicht  will. Solange es dem Wohlergehen des Betreuten nicht zuwiderläuft, muss sich der Betreuer danach richten.  Beispielsweise darf der Betreuer dem Betreuten keine sparsame Lebensführung aufzwingen, wenn  ausreichend Geld vorhanden ist. Im Klartext: Es ist nicht Aufgabe der Betreuerin oder des Betreuers, der hilfebedürftigen Person sinnvolle Leistungen oder Annehmlichkeiten vorzuenthalten, damit das spätere Erbe  geschont wird. Wünsche, die der Betreute vor dem Eintritt seiner Behinderung geäußert hat, müssen  selbstverständlich berücksichtigt werden.

Rechtliche Auswirkungen

Die Bestellung einer Betreuungsperson ist keine Entrechtung und hat als solche nicht zur Folge, dass der Betroffene geschäftsunfähig wird. Das Gericht kann allerdings für einzelne Lebensbereiche einen Einwilligungsvorbehalt anordnen, wenn die Gefahr besteht, dass die betreute Person sich selbst oder ihr Vermögen schädigt. In diesem Fall werden Rechtsgeschäfte erst dann gültig, wenn der Betreuer zustimmt.

Bei der Auswahl der Betreuungsperson kommt selbstverständlich den Wünschen des Betroffenen große Bedeutung zu. Die Befugnisse des Betreuers können auch den Bereich der Personensorge umfassen, also Angelegenheiten der Gesundheitsfürsorge (Erlaubnis zu medizinischen Eingriffen) und der Aufenthaltsbestimmung (Verlegung in ein Heim).

Das Betreuungsgesetz enthält darüber hinaus wichtige Regelungen zu folgenden Fragen; in vielen Fällen ist die vorherige Genehmigung des Gerichts einzuholen:

  • Wohnungsauflösung
  • Medizinische Untersuchungen und Eingriffe
  • Sterilisation
  • Freiheitsbeschränkungen (Unterbringung in einer geschlossenen Abteilung, Fesseln, Bettgitter, Ruhigstellen durch Medikamente)
  • Bestimmung des Umgangs mit der betreuten Person
  • Entscheidungen über telefonische und elektronische Kommunikation
  • Entscheidungen zum Erhalt und zur Versendung von Post.

Wenn der Betreute seine Wünsche nicht mehr sagen kann, soll der Betreuer durch Erkundigungen zu früheren Äußerungen den vermutlichen Willen versuchen herauszufinden. Auch sollen die persönlichen Wertvorstellungen des Betreuten berücksichtigt werden (Religion, Weltanschauung usw.).

Angehörige können vom Betreuer Auskunft zum Wohlergehen des Betreuten verlangen, sofern dies dem Willen des Betreuten entspricht. Personen, mit denen der Betreute schon vor der Erkrankung nichts mehr zu tun haben wollte, muss der Betreuer keine Auskunft geben.

Wenn der Betreuer die Absicht hat, den Wohnsitz des Betreuten zu verlegen, zum Beispiel in ein Heim, so muss er frühzeitig das Gericht hierüber informieren. Es ist ratsam, dabei die Gründe oder Vorkommnisse anzugeben und zum Beispiel eine ärztliche Stellungnahme beizufügen.

Nur in dringenden Notfällen, in denen das Gericht nicht rechtzeitig kontaktiert werden kann, darf der Betreuer Entscheidungen außerhalb seiner Zuständigkeitsbereiche treffen. In allen Fällen von Notmaßnahmen muss das Gericht schnellstmöglich nachträglich informiert werden.

Neu: Notvertretungsrecht von Ehepartnern

Zusammen mit der Überarbeitung des Betreuungsrechts hat der Gesetzgeber zum 1. Januar 2023 erstmals auch ein Notvertretungsrecht für Ehegatten in Bezug auf ärztliche Maßnahmen eingeführt. Wenn eine Person aufgrund von Bewusstlosigkeit oder Krankheit nicht entscheidungsfähig ist, darf der Ehepartner die Entscheidung zur Durchführung oder Beendigung von medizinischen Maßnahmen und zu Behandlungsverträgen treffen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn keine gesetzliche Betreuung besteht, keine Vorsorgevollmacht vorliegt und die Ehepartner nicht getrennt leben. Mit dieser Regelung wurde eine wichtige Gesetzeslücke geschlossen – vor allem auch um das medizinische Personal zu schützen und ein rasches Eingreifen in Notsituationen zu ermöglichen. Die längst überfällige Regelung entspricht ohne Zweifel dem Rechtsempfinden einer breiten Mehrheit der Bevölkerung. Schließlich ist die Ehe ein Bund für gute und für schlechte Tage.

Frühzeitig vorsorgen

Für den Fall, dass man seine Angelegenheiten eines Tages nicht mehr regeln kann, sollte man frühzeitig Vorsorge treffen. Man kann zum Beispiel eine sogenannte Betreuungsverfügung aufschreiben. Darin kann man für den eventuellen Betreuungsfall jemanden als gesetzlichen Betreuer vorschlagen und bestimmte Wünsche äußern. Diese Betreuungsverfügung sollte einer Person des Vertrauens übergeben werden.

Zusätzlich kann man in gesunden Tagen für den Fall der eigenen Hilflosigkeit einer Person seines Vertrauens die Wahrnehmung einzelner oder aller Vermögensangelegenheiten übertragen. Diese Person kann dann „im Fall der Fälle“ sofort handeln, ohne dass es weiterer Entscheidungen bedarf. Wenn es erforderlich ist, kann daneben ein Betreuer bestellt werden, der den Bevollmächtigten kontrolliert.

Solche Vorsorgevollmachten können von den Betreuungsbehörden beglaubigt werden. Auf Wunsch können sich Bevollmächtigte wie auch die gesetzlichen Betreuer bei den Betreuungsbehörden und Betreuungsvereinen beraten lassen. Betreuungsvereine dürfen bei der Erstellung von Vorsorgevollmachten unterstützen. Vorsorgevollmachten können beim Zentralen Vorsorgeregister der Bundesnotarkammer (www.vorsorgeregister.de) hinterlegt werden.

Unbedingt zu empfehlen ist ergänzend zur Vorsorgevollmacht eine Patientenverfügung, in der man Wünsche für den medizinischen Notfall festlegt. Ausführliche Ratgeber hierzu mit Mustertexten gibt’s z.B. bei der Stiftung Warentest und bei der Verbraucherzentrale Bundesverband.

Über Einzelheiten zur Betreuungsverfügung und zur Vorsorgevollmacht (mit Beispielen) sowie über die wichtigsten Fragen des Betreuungsrechts informiert sehr anschaulich die Broschüre „Betreuungsrecht“ des Bundesministeriums der Justiz. Sie kann auf der Internetseite des Ministeriums (www.bmj.bund.de) bestellt oder als PDF-Datei heruntergeladen werden.

Wie wird meine Behinderung „anerkannt“?

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Damit Menschen die ihnen aufgrund der Behinderung zustehenden Rechte wahrnehmen können, muss die Einschränkung als Behinderung „anerkannt“ sein.

Zur Feststellung der Behinderung – so der offizielle Ausdruck – stellt man einen Antrag an das für den Wohnort zuständige Versorgungsamt. Den Antragsvordruck gibt es dort und bei der Gemeinde und im Internet.

Ganz besonders wichtig ist es, neben den Gesundheitsstörungen (den medizinischen Diagnosen), die damit verbundenen Funktionseinschränkungen anzugeben. Da sie die Auswirkungen der Beeinträchtigung darstellen, kommt ihnen bei der Bemessung des Grades der Behinderung eine besondere Bedeutung zu. Wenn eine Gesundheitsstörung zu Folgeschäden geführt hat, sollten auch diese angegeben werden.

Im eigenen Interesse liegt es, alle erheblichen Beeinträchtigungen anzugeben. Man kann allerdings auf die Berücksichtigung bestimmter Einschränkungen verzichten, zum Beispiel eine psychische Einschränkung. Diese Umstände werden dann bei der Feststellung des Grades der Behinderung nicht einbezogen und im Bescheid nicht erwähnt.

Die Feststellung der Behinderung kann rückwirkend beantragt werden; bezogen auf den Zeitpunkt, da die Gesundheitsstörung eingetreten ist (z.B. ein Unfall oder eine Operation). Dem Antrag sollte man bereits Kopien von ärztlichen Bescheinigungen beifügen. Zur Begründung des Antrages muss man die Ärzte angeben, die zu den geltend gemachten Beeinträchtigungen Aussagen machen können. Das Versorgungsamt wird von diesen Auskünfte einholen und hierfür auch die Kosten übernehmen.

Es ist daher sehr wichtig, mit den Ärzten persönlich über den Antrag zu sprechen und sie zu bitten, in ihren Stellungnahmen neben den Diagnosen auch die damit verbundenen Funktionseinschränkungen anzugeben (z.B. „kann nur 50 Meter weit ohne Hilfe gehen“ oder „kann nur 3 kg tragen“). Sie können auch Untersuchungsberichte von anderen Ärzten einreichen.

Der Grad der Behinderung wird vom Versorgungsamt unter Beteiligung des eigenen ärztlichen Dienstes festgelegt. Im Interesse der Gleichbehandlung hat das Bundessozialministerium eine Liste herausgegeben, in der alle möglichen Beeinträchtigungen mit einer Zahl für den Grad der Behinderung angegeben sind (Versorgungsmedizinverordnung).

Wenn mehrere Behinderungen vorliegen, wird aus den einzelnen Behinderungsgraden ein Gesamtwert ermittelt. Das geschieht allerdings nicht durch Zusammenzählen, sondern durch eine Bewertung, bei der es auch auf das mögliche Zusammenwirken der verschiedenen Einschränkungen ankommt.

Im Feststellungsbescheid stellt das Versorgungsamt die Behinderung fest (sofern sie vorliegt) und legt den Grad der Behinderung (GdB) in Zehnerstufen bis 100 fest. Wenn der GdB 50 und mehr beträgt, liegt eine Schwerbehinderung vor. Diese Personen erhalten den Ausweis. Durch Zusatzangaben (z.B. „G“ für gehbehindert, „aG“ für „außergewöhnlich gehbehindert“) wird festgelegt, dass die betreffende Person besondere Rechte („Nachteilsausgleiche“) in Anspruch nehmen kann. Diese Zusatzangaben im Ausweis heißen „Merkzeichen“.

Hilfen für Behinderte im Beruf: Auf eigenen Füßen stehen

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„Selbstbestimmt leben“ – diese Forderung aus der Behindertenhilfe hat eine ganz besondere Bedeutung, wenn es um Arbeit und Beruf geht. Eine Erwerbstätigkeit auszuüben ist nicht nur wichtig für den Lebensstandard. Selbst den Lebensunterhalt zu verdienen, „auf eigenen Füßen zu stehen“, bedeutet gerade für behinderte Menschen ein großes Stück Unabhängigkeit von fremder Hilfe – und von Bevormundung. Mit einem Arbeitseinkommen ist nicht zuletzt auch eine stärkere soziale Sicherung verbunden. Eine Berufstätigkeit hat aber auch eine andere Bedeutung: Sie vermittelt gesellschaftliche Anerkennung ebenso wie persönliche Befriedigung und Selbstwertgefühl.

Dass alle schwerbehinderten Menschen im Arbeitsleben gesetzlichen Schutz genießen und die gleichen Fördermöglichkeiten in Anspruch nehmen können, ist erst Mitte der siebziger Jahre durch das Schwerbehindertengesetz geregelt worden. Bis dahin waren die Hilfen von der Ursache der Behinderung (z.B. Krieg oder Arbeitsunfall) abhängig. Heute finden sich die Regelungen im „Neunten Buch des Sozialgesetzbuches“ (abgekürzt: SGB IX).

Für die Integration Behinderter in das Arbeitsleben gibt es drei Hauptinstrumente:

  • die „Begleitende Hilfe“ im Beruf,
  • die Erhebung einer Ausgleichsabgabe und
  • der Kündigungsschutz für Schwerbehinderte.

Wenn ein Arbeitgeber eine schwerbehinderte Person einstellen will, kann die Agentur für Arbeit erhebliche Lohnzuschüsse auch über einen längeren Zeitraum gewähren. Für junge und besonders betroffene Schwerbehinderte werden besondere Anstrengungen unternommen. Auch bei der individuellen Arbeitsplatzausstattung wird dem Arbeitgeber geholfen: Fördermittel und technische Beratung durch Ingenieure kommen vom Integrationsamt. Weitere mögliche Kostenträger sind die Renten- und die Unfallversicherung – je nach den Gegebenheiten des Einzelfalls.

Begleitende Hilfe mit Frühwarnsystem

Einen Arbeitsplatz zu bekommen ist eine Sache – ihn zu behalten eine andere. Deshalb gibt es eine begleitende Hilfe und – sozusagen als „Frühwarnsystem“ – betriebliche Helfer des Integrationsamtes. Gemeint sind damit die Schwerbehindertenvertretung („Vertrauensleute“) und der Beauftragte des Arbeitgebers für Schwerbehinderte. Sie sollen regelmäßigen Kontakt halten zu den Betroffenen und beim Auftreten von Problemen frühzeitig Lösungen vorschlagen bzw. Fachleute hinzuziehen. Neben der umfassenden Beratung der Arbeitgeber und der schwerbehinderten Frauen und Männer gibt es eine breite Palette von Fördermöglichkeiten.

Wer ist schwerbehindert?

Schwerbehindert ist eine Person, wenn ihr das Versorgungsamt einen „Grad der Behinderung (GdB)“ von wenigstens 50 bescheinigt. Sie erhält den Schwerbehindertenausweis, der auch weitere Angaben zur Behinderung enthalten kann. Personen mit einem GdB von 30 bis 50 können in der beruflichen Behindertenhilfe Förderung bekommen, wenn dadurch ein Arbeitsverhältnis geschaffen oder eine Kündigung verhindert werden kann. Sie werden in dieser Hinsicht Schwerbehinderten gleichgestellt.

Da für eine Reihe von Behinderungen spezielle fachliche Beratung und individuelle Betreuung notwendig sind, gibt es inzwischen Integrationsfachdienste, die hauptsächlich von den Integrationsämtern finanziert werden. Diese Dienste kümmern sich um die individuellen Belange besonders betroffener Schwerbehinderter, wie z.B. psychisch Behinderte, Gehörlose, Blinde und junge Behinderte.

Kündigungsschutz ist keine Unkündbarkeit!

Damit das Integrationsamt überhaupt von Problemen Schwerbehinderter im Beruf erfährt und damit eine Chance erhält, seine Instrumente anzubringen, gibt es für Schwerbehinderte einen besonderen Kündigungsschutz. In vielen Fällen kann es nämlich – z.B. durch Hilfen am Arbeitsplatz auf Vorschlag des Technischen Fachdienstes, durch den Einsatz der Integrationsfachdienste und durch Arbeitsassistenz – die Arbeitsverhältnisse retten.

Die weit wichtigere Bedeutung des Kündigungsschutzes liegt allerdings im Vorfeld: Da alle Beteiligten die Kündigung vermeiden wollen, bemühen sie sich sehr frühzeitig um Abhilfe. Deshalb auch das oben erwähnte „Frühwarnsystem“.

Entgegen einem weitverbreiteten Vorurteil stellt dieser Kündigungsschutz keine Unkündbarkeit dar! Nachweislich wird die Zustimmung zur Kündigung durch die Integrationsämter in den weitaus meisten Fällen erteilt, denn oft liegen dabei betriebliche Gründe vor (Auftragsmangel, Betriebsstilllegung etc.). Bei persönlichem Fehlverhalten kann es sogar eine Zustimmung des Integrationsamtes zur außerordentlichen Kündigung geben.

Ausgleichsabgabe

Für die Finanzierung neuer Arbeitsplätze, der Begleitenden Hilfe sowie für Schulungen und Informationsmaterial für die betrieblichen Helfer verfügen die Integrationsämter über einen „Sondertopf“, die Mittel der Ausgleichsabgabe. Nach dem Sozialgesetzbuch ist jeder Arbeitgeber ab 40 Arbeitnehmern verpflichtet, fünf Prozent Schwerbehinderte zu beschäftigen. Wird diese „Pflichtquote“ nicht erfüllt, so ist pro nicht besetztem Pflichtplatz eine Ausgleichsabgabe zu leisten. Die Höhe der Abgabe ist gestaffelt: Betriebe, die sehr wenig Schwerbehinderte beschäftigen, müssen eine höhere Abgabe zahlen. Für Firmen unter 60 Beschäftigten gibt es Sonderregelungen.

Diese Mittel dürfen nur für die berufliche Behindertenhilfe verwendet werden. Diese Abgabe versucht einen Ausgleich zwischen den Arbeitgebern herzustellen, daher ihr Name. Die Mittel der Ausgleichsabgabe werden für folgende Zwecke verwendet: Bau und Ausstattung von Behindertenwerkstätten sowie Wohnheimen (für Behinderte, die in einer Werkstatt arbeiten), Neuschaffung und behinderungsgerechte Umgestaltung von Arbeitsplätzen inkl. Umfeld, Beratungsdienste, berufliche Fortbildung von Behinderten, behinderungsgerechter Umbau des Zugangs zur Wohnung eines Schwerbehinderten, Hilfen zum Erreichen des Arbeitsplatzes (Umbau PKW).

Erleichterungen für behinderte Menschen

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Menschen mit Behinderungen haben in vielen Lebensbereichen mit besonderen Schwierigkeiten und Benachteiligungen zu kämpfen. Deshalb werden ihnen auf zahlreichen Gebieten „Nachteilsausgleiche“ gewährt.

„Das sind aber viele Regelungen“, denkt mancher, der zum ersten Mal eine Übersicht über die Nachteilsausgleiche für behinderte Menschen sieht. Seien Sie froh! Denn durch diese Regelungen wird Ihnen – wenn Sie betroffen sind – vielleicht geholfen!

Hier eine Übersicht (ohne Anspruch auf Vollständigkeit!):

Steuern

  • Schwerbehinderte erhalten unabhängig von der Art der Behinderung je nach Grad der Behinderung (GdB) bei der Einkommensteuer einen pauschalen Steuerfreibetrag zwischen 384 Euro und 2.840 Euro jährlich. Für Hilflose, Blinde und Personen mit Pflegegrad 4 oder 5 beträgt dieser 7.400 Euro.
  • Diese Sätze wurden zum 1.1.2021 erstmals seit Jahrzehnten angehoben und gegenüber den zuvor geltenden Beträgen gleich verdoppelt. Die Pauschale gilt immer für das ganze Kalenderjahr, auch wenn die Behinderung erst im Laufe des Jahres festgestellt wird. Das Gleiche gilt auch bei der Feststellung eines höheren GdB. Die Pauschbeträge unterliegen nicht dem Abzug eines Eigenanteils! Der Gesetzgeber denkt: Wenn Du den Pauschbetrag beantragst, ist das Thema damit erledigt.
  • Höhere Ausgaben müssen die behinderten Personen nachweisen. Das bedeutet: Quittungen sammeln und Aufzeichnungen führen. Außerdem wird ein „zumutbarer Eigenanteil“ abgezogen.
Pauschbeträge bei der Einkommensteuer
GdB Pauschbetrag in Euro
20 384
30 620
40 860
50 1.140
60 1.440
70 1.780
80 2.120
90 2.460
100 2.840
Hilflos/Blind 7.400
Pauschbetrag
für Hinterbliebene
370

Aufgepasst: Bei rückwirkender Feststellung der Behinderung bzw. Erhöhung des GdB werden auf Antrag (!) vom Finanzamt Steuern auch für vorangehende Jahre erstattet. Das gilt sogar dann, wenn die Steuerbescheide schon bestandskräftig sind. Unser Tipp: Stellen Sie den Antrag auf rückwirkende Erstattung sofort nach Erhalt des Feststellungsbescheides.

Arbeitnehmer können vom Finanzamt den Pauschbetrag als Freibetrag in die Lohnsteuermerkmale (ELStAM) eintragen lassen, damit sie schon im laufenden Jahr etwas davon haben. Es kann auch der Pauschbetrag des Ehegatten eingetragen werden. In der Regel werden die Pauschbeträge automatisch in den Folgejahren berücksichtigt, längstens allerdings für die Gültigkeitsdauer des Behindertenausweises. Unser Tipp: Bei der Umstellung der Sätze zum 1.1.2021 kann es zu Fehlern gekommen sein. Betroffene sollten die Angaben auf der Gehaltsabrechnung kontrollieren und ggf. beim Finanzamt eine Änderung beantragen.

  • Statt der Pauschale (z.T. auch zusätzlich) können bestimmte tatsächliche Kosten angesetzt werden, allerdings unter Abzug eines zumutbaren Eigenanteils. Das empfiehlt sich in der Regel, wenn die tatsächlichen Kosten die Pauschale deutlich übersteigen.
  • Behinderte Eltern können unter bestimmten Voraussetzungen begrenzt Kinderbetreuungskosten geltend machen.
  • Eltern eines behinderten Kindes können unter bestimmten Voraussetzungen den Pauschbetrag des Kindes auf sich übertragen lassen.
  • Bei erwachsenen behinderten Kindern, die sich nicht selbst unterhalten können, erhalten die Eltern unabhängig vom Alter des Kindes, Kindergeld oder Kinderfreibetrag, wenn die Behinderung bei dem Kind schon vor dem 25. Lebensjahr vorgelegen hat.
  • Einen Pflegepauschalbetrag oder nachgewiesene Kosten kann geltend machen, wer persönlich eine pflegebedürftige Person in der eigenen oder deren Wohnung pflegt, ohne Einnahmen hierfür zu erhalten. Folgender Pflegepauschalbetrag wird gewährt:
bei Pflegegrad 2: 600 Euro
bei Pflegegrad 3: 1.100 Euro
bei Pflegegrad 4 und 5: 1.800 Euro
  • Der Betrag wird ggf. unter mehreren Pflegepersonen aufgeteilt und in voller Höhe als Jahresbetrag gewährt, auch wenn der Pflegebedarf erst im Laufe des Jahres entstanden ist oder endete, weil z.B. der/die Pflegebedürftige starb.

  • Im Einkommensteuerrecht wurden zum 1.1.2021 die Ermäßigungen für Fahrten von behinderten Menschen vollkommen neu geregelt.
  • Aufwendungen für durch eine Behinderung veranlasste Fahrten können nun nicht mehr in der tatsächlichen Höhe angegeben werden. Es wird – unabhängig von Fahrleistungen und Verkehrsmitteln – nur noch eine Pauschale gewährt (behinderungsbedingte Fahrtkostenpauschale) und zwar in wei Stufen:
  • 1. Personen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 80 oder mit einem Grad der Behinderung von mindestens 70 und dem Merkzeichen „G“, können eine Pauschale von 900 Euro geltend machen.
  • 2. Personen mit den Merkzeichen „aG“, „Bl“, „TBl“ oder „H“, erhaltenen eine Pauschale von 4.500 Euro.

Wenn man die für Dienstreisen geltende Kostenpauschale von 30 Cent pro km zugrunde legt, werden der ersten Gruppe somit 3.000 km und der zweiten Gruppe 15.000 km zugestanden. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber die betroffenen Menschen vom lästigen Sammeln von Belegen und Führen 2021/22 Behinderung 57 von Aufzeichnungen sowie die Finanzämter vom Prüfen der Angaben entlasten – auch hier nach dem Motto „Thema erledigt!“.

Allerdings hat die Sache einen Haken: Die Pauschalsätze für Fahrten werden – anders als die Pauschalsätze für Behinderungen – den „außergewöhnlichen Belastungen“ zugerechnet. Alle in der Steuererklärung angegebenen außergewöhnlichen Belastungen (behinderungsbedingte Kosten, medikamentenkosten, Klinikaufenthalte usw.) zusammen werden nur oberhalb eines Eigenanteils („zumutbare Belastung“) berücksichtigt. Der Eigenanteil ist nach Einkommen und Familienstand gestaffelt.

Daneben können behinderte Arbeitnehmer/innen ganz normal - wie alle anderen - die Kosten für die Fahrt zur Arbeit bei den Werbungskosten geltend machen (30 Cent pro Entfernungskilometer). Eine Sonderregelung gibt es für die Fälle, in denen ein besonders betroffener Behinderter zur Arbeit gebracht und von dort wieder abgeholt wird. Hier ist die Anerkennung der Leerfahrten möglich, und zwar auch dann, wenn das Fahrzeug nicht auf die behinderte Person zugelassen ist.

Bei Arbeitsagenturen und Integrationsämtern gibt es Finanzhilfen zu Beschaffung und Umrüstung eines KFZ. Achtung: Wie immer bei Fördermaßnahmen muss Ihnen die schriftliche Bewilligung vorliegen, bevor Sie das Auto bestellen oder die Umrüstung beauftragen! In eiligen Fällen beantragen Sie einen förderunschädlichen „vorzeitigen Maßnahmebeginn“ und lassen sich diesen schriftlich bestätigen. Damit gehen Sie aber das Risiko ein, dass Sie – bei Nichtvorliegen der Fördervoraussetzungen – die Kosten allein tragen.

  • Schwerbehinderten Haltern eines KFZ, die hilflos, blind oder außergewöhnlich gehbehindert sind, wird die KFZ-Steuer erlassen. Eine Halbierung der KFZ-Steuer gibt es für Schwerbehinderte, die gehörlos oder behinderungsbedingt im Straßenverkehr erheblich beeinträchtigt sind, falls sie nicht die „Freifahrt“ im öffentlichen Nahverkehr in Anspruch nehmen. Andere Personen dürfen das KFZ dann aber nur unter zum Transport der behinderten Person oder für deren Haus haltsführung benutzen. Die KFZ-Steuer wird neuerdings vom Zoll erhoben, www.zoll.de, Telefon 0351-44834-550. (Auskünfte zu sonstigen steuerlichen Regelungen: Finanzamt bzw. Steuerberater)

© Uwe Steinkrüger

Verkehr

Die sogenannte Freifahrt im öffentlichen Personennahverkehr erhalten schwerbehinderte Menschen, die in ihrer Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr erheblich eingeschränkt sind. Ebenso blinde, gehörlose und hilflose Personen. Am Schwerbehindertenausweis ist dies durch einen Flächenaufdruck in Orange zu erkennen. Die betreffenden Personen können deutschlandweit alle Verkehrsverbünde kostenfrei nutzen, müssen aber hierfür als Eigenanteil eine Wertmarke von 91 Euro pro Jahr bzw. von 46 Euro für sechs Monate (z.B. März bis September) erwerben. Für Hilflose, Blinde und Bezieher von Hilfen zum Lebensunterhalt sowie kriegs- und wehrdienstgeschädigte Personen ist die Marke kostenlos.

Wenn der Ausweis den Vermerk für eine Begleitperson enthält (Merkzeichen B) fährt die Begleitperson im öffentlichen Nah- und Fernverkehr kostenlos. (Übrigens: Die Feststellung des Merkzeichens B bedeutet nicht, dass die schwerbehinderte Person, wenn sie nicht in Begleitung ist, eine Gefahr für sich oder für andere darstellt.)

Parkplatz: Für Menschen mit außergewöhnlicher Gehbehinderung (aG) stellen die Gemeindeverwaltungen auf Antrag besondere blaue Parkausweise aus, die inzwischen EU-weit gelten. Diese berechtigen zum Parken auf Behindertenparkplätzen (blaues Verkehrsschild mit Rolli-Symbol) sowie bis zu drei Stunden (nachzuweisen durch die Parkscheibe!) im eingeschränkten Halteverbot. Das gilt auch, wenn die behinderte Person gefahren wird. Wenn allerdings jemand das Auto der behinderten Person benutzt, ohne dass diese gebracht bzw. abgeholt wird (sog. Erledigungsfahrten), darf der Parkausweis nicht genutzt werden. Fahrzeuge, die unberechtigt auf einem Behindertenparkplatz abgestellt sind, können sofort abgeschleppt werden, denn – so die Gerichte – schwer gehbehinderte Menschen müssen darauf vertrauen können, dass an bestimmten Plätzen, z.B. Bahnhöfen, immer ein Behindertenparkplatz frei ist, und zwar gerade auch dann, wenn die anderen Parkplätze restlos belegt sind.

Auf einem Parkplatz, der für eine bestimmte behinderte Person (bzw. ihr Fahrzeug) reserviert ist, dürfen auch andere behinderte Menschen nicht parken! Sie riskieren ein Abschleppen Ihres Fahrzeuges, da die berechtigte Person auf die Nutzung des Parkplatzes angewiesen ist.

Ergänzend zum blauen Parkausweis gibt es in Deutschland auch orange Ausweise für Menschen, die nicht die Kriterien für „aG“ erfüllen. Die orangen Ausweise gewähren die gleichen Parkerleichterungen. Auf den  Behindertenparkplätzen (Rolli-Symbol) darf damit aber nicht geparkt werden! Den orangen Ausweis erhalten Personen mit GdB 80 + Merkzeichen G sowie einige besonders betroffene Schwerbehinderte. Auskünfte zu  den blauen und orangen Parkausweisen erteilen die örtlichen Verkehrsbehörden. Der Missbrauch der blauen  Parkausweise (Nutzung ohne Beisein der berechtigten Person) wird übrigens durch die Gerichte streng  bestraft – ebenso wie das Kopieren der Ausweise.

Fernsehgebühren

Viele schwerbehinderte Personen können an Konzerten, Theaterdarbietungen und anderen Veranstaltungen aufgrund ihrer Behinderung nicht teilnehmen, z.B. Blinde, Gehörlose, stark Seh- oder Hörbehinderte. Daher wird Ihnen eine Erleichtung bei der Rundfunkgebühr gewährt. Seit 2013 gilt folgende Regelung: Mit Ausnahme von Beziehern von Blindenhilfe, Taubblinden und pflegebedürftigen Heimbewohnern müssen auch Personen mit dem Merkzeichen „RF“ im Schwerbehindertenausweis einen Betrag von 6,12 Euro monatlich an die Gebühreneinzugszentrale (GEZ) zahlen (ein Drittel des normalen Beitrages). Schwerbehinderte Empfänger von Sozialleistungen (wie z.B. Arbeitslosengeld II, Sozialhilfe, Grundsicherung oder BAföG) können bei der GEZ eine Befreiung von den Rundfunkgebühren beantragen. Personen mit dem Merkzeichen „RF“ sollten bei der Telefongesellschaft nach einem Sozialanschluss fragen.

Behinderte Studenten

Für behinderte Studenten kann der Bezug von Ausbildungsförderung verlängert werden. Außerdem werden – je nach Einzelfall – bestimmte Materialien, Hilfsmittel oder in besonders gelagerten Fällen auch ein Auto vom überörtlichen Sozialhilfeträger („Landessozialamt“) finanziert. Auskünfte erteilen die Studentenwerke.

Blindengeld

Blinde Personen erhalten Blindengeld, zumeist von den Landessozialämtern. Die Regelungen sind in den Bundesländern unterschiedlich. In NRW erhalten auch gehörlose und stark sehbehinderte Menschen eine kleine regelmäßige Geldleistung. Auskunft: Sozialamt, in NRW die Landessozialämter bei den Landschaftsverbänden.

Wohnungsbau

Besonderheiten für Menschen mit Behinderungen gibt es auch im Wohnungsbau. Hier bestehen steuerliche Erleichterungen und Sonderregelungen für öffentliche Mittel (Auskunft: Wohnungsbauämter).

Berufstätige Schwerbehinderte können für die Beschaffung von Wohnraum oder den Umzug in eine behinderungsgerechte Wohnung Fördermittel (Zuschüsse oder Darlehen) beantragen. Für behinderungsbedingte Umbauten innerhalb und außerhalb der eigenen oder der gemieteten Wohnung (z.B. Rampen) können sie einkommensunabhängige Zuschüsse beantragen. Zuständig: Arbeitsagentur oder Rentenversicherung.

Für berufstätige Schwerbehinderte gibt es in gewissen Einkommensgrenzen die Möglichkeit, für den Erwerb von Wohneigentum ein zinsgünstiges Darlehen zu beantragen. Zuständig: Arbeitsagentur (Abteilung für schwerbehinderte Menschen), Rentenversicherung oder Integrationsamt. Bei welcher der drei Stellen Sie den Antrag einreichen, ist für Sie unerheblich. Der Antrag muss von dort an die zuständige Stelle geleitet werden; der Antrag gilt mit dem Eintreffen bei der ersten Verwaltung als eingereicht. Tipp: Auch in Behörden kommt manchmal ein Brief weg; deshalb den Erstantrag immer per Einschreiben schicken.

Auch hier gilt: Vor dem Start der geplanten Maßnahme muss Ihnen die schriftliche Zusage der zuständigen Stelle vorliegen! Anträge müssen deshalb rechtzeitig vor Baubeginn oder Kauf gestellt werden. Wenn es sehr eilig ist, beantragt man einen „vorzeitigen Maßnahmebeginn“.

Eine Bemerkung zum Schluss: Angesichts des hohen Änderungstempos in der Gesetzgebung kann für die hier gemachten Angaben keine Gewähr auf Richtigkeit und Vollständigkeit übernommen werden. Bitte lassen Sie sich fachkundig beraten, z.B. durch Finanzämter und Steuerberater, die zuständigen Institutionen oder durch eine Organisation für Menschen mit Behinderungen.

Teilhabe am Leben in der Gesellschaft – darum geht's behinderten Menschen

franke

Behinderung ist immer auch Behinderung durch andere! So ist auch die Aussage zu verstehen „Man ist nicht behindert, man wird behindert!“ Ein großer Erfolg für die Behindertenorganisationen war daher die Einfügung eines Benachteiligungsverbots für Behinderte ins Grundgesetz vor einigen Jahren. Was aber ist eine Behinderung?

Im Alltag hört man es immer noch: Für viele Menschen ist „gesund“ das Gegenteil von behindert; sie unterscheiden „Behinderte“ von „Gesunden“. Dabei leuchtet es nach kurzem Überlegen ein, dass ein kranker Mensch nicht unbedingt behindert ist und dass andererseits ein behinderter Mensch sehr wohl gesund sein kann.

Wie der Tod gehören Krankheiten zu unserem Leben. Die meisten Krankheiten können heute geheilt werden – wenn sie nicht sogar von selbst verschwinden. Krankheit ist deshalb – weil vorübergehend – noch lange keine Behinderung! Das Gleiche gilt für Verletzungen, zum Beispiel nach einem Unfall. Richtig ist es daher, von behinderten und nicht behinderten Menschen zu sprechen. Was aber ist genau eine Behinderung?

Erst, wenn Erkrankung oder Unfall dauerhafte oder zumindest länger währende Beeinträchtigungen nach sich ziehen, kann eine Behinderung vorliegen. Der moderne Behinderungsbegriff stellt aber nicht allein auf körperliche, geistige oder seelische „Funktionsbeeinträchtigungen“ ab, sondern auf die sozialen Auswirkungen dieser Einschränkungen. Dies ist auf das gesamte Zusammenleben und nicht (wie früher) allein auf die Erwerbsfähigkeit bezogen, denn eine Behinderung macht sich in vielen Bereichen des Lebens bemerkbar: beim Wohnen, beim Einkaufen, in der Freizeit und im Beruf. Maßgeblich ist also für eine Behinderung, ob durch die körperlichen, geistigen oder seelischen Einschränkungen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Dementsprechend lautet die gesetzliche Definition von Behinderung (im Behindertengleichstellungsgesetz und im „Neunten Buch des Sozialgesetzbuches“ (abgekürzt: SGB IX):

Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist.

Damit wird zugleich gesagt, dass die Teilhabe behinderter Menschen das Ziel der Behindertenpolitik ist.

Für die Feststellung einer Behinderung ist die Ursache unerheblich. Die Ursache spielt allerdings eine große Rolle dabei, welcher Rehabilitationsträger einzuschalten ist. Schon 1986 wurde der Begriff „Grad der Behinderung“ (abgekürzt: GdB) anstelle der Bezeichnung „Minderung der Erwerbsfähigkeit“ eingeführt. Mit dem neuen Begriff wird klargestellt, dass die Einschränkungen alle Lebensbereiche betreffen und nicht nur das Erwerbsleben. Außerdem sagte der alte Begriff entgegen dem Wortsinn nichts über die berufliche Leistungsfähigkeit einer behinderten Person aus. Denn: Ein behinderter Mensch mit einem GdB von 100 kann am „richtigen“ Arbeitsplatz die volle Leistung erbringen. Unsere Bitte: Im Zusammenhang mit einer Behinderung sollte das Wort „Prozent“ deshalb gar nicht mehr auftauchen.

Zuzahlungen – ein Überblick­

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Seit 2004 gelten für die Gesetzliche Krankenversicherung die nachfolgend zusammengefassten Zuzahlungsregelungen. Grundsätzlich wird bei allen Leistungen eine Zuzahlung von zehn Prozent der Kosten erhoben. Mindestens fünf Euro, höchstens zehn Euro. Wenn die Kosten unter fünf Euro liegen, wird nur der tatsächliche Preis gezahlt.

Hat die Apotheke ein Medikament nur in kleineren Packungen vorrätig, muss der Patient nur die Zuzahlung für die verordnete Packungsgröße zahlen. Werden Teilmengen abgegeben, richtet sich die Zuzahlung nach der verordneten Menge (Neuerung seit Februar 2024).

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Belastungsgrenzen

Alle Zuzahlungen werden für das Erreichen der Belastungsgrenze berücksichtigt. Die jährliche Eigenbeteiligung der Versicherten darf zwei Prozent der Bruttoeinnahmen nicht überschreiten. Für chronisch Kranke gilt eine Grenze von einem Prozent der Bruttoeinnahmen. Für Familien verringert sich die Belastungsgrenze durch die Kinderfreibeträge und gegebenenfalls den Freibetrag für den Ehepartner. Bei Beziehern von Sozialhilfe/Hartz IV gilt der Regelsatz des Haushaltsvorstands als Berechnungsgrundlage für die Belastungsgrenze. Das heißt, ein chronisch kranker Sozialhilfeempfänger zahlt im Jahr 47,88 Euro, ansonsten 95,76 Euro. Wenn man die Belastungsgrenze erreicht hat, stellt die jeweilige Kasse für den Rest des Kalenderjahres eine Befreiung aus.

Befreiung für Kinder und Jugendliche

Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sind generell von Zuzahlungen befreit.

Liegt der Preis eines Arzneimittels um 30 Prozent niedriger als der so genannte Festbetrag, ist die Aufnahme in die Zuzahlungsbefreiungsliste möglich. Je nach Krankenkasse können außerdem sogenannte Rabattarzneimittel zur Hälfte oder komplett für die jeweiligen Versicherten dieser Krankenkasse von der Zuzahlung befreit werden.

Bonusregelung

Wer aktiv Vorsorge betreibt und an Präventionsmaßnahmen teilnimmt, kann von seiner Krankenkasse einen finanziellen Bonus bekommen. Das kann beispielsweise eine teilweise Befreiung von den Zuzahlungen oder auch eine Ermäßigung des Beitrags sein. Das gilt auch für Versicherte, die an einem Hausarztsystem, an einem Chronikerprogramm oder an einer integrierten Versorgung teilnehmen.

Hilfsmittel: Zuzahlung von 10 Prozent für jedes Hilfsmittel (z.B. Hörgerät, Rollstuhl), jedoch mindestens 5 Euro und maximal 10 Euro. In jedem Fall nicht mehr als die Kosten des Mittels. Ausnahme: Hilfsmittel, die zum Verbrauch bestimmt sind (z.B. Windeln bei Inkontinenz): Zuzahlung von 10 Prozent je Verbrauchseinheit, aber maximal 10 Euro pro Monat.

Krankenhaus: Zuzahlung von 10 Euro pro Tag, aber begrenzt auf maximal 28 Tage pro Kalenderjahr. Ein durchschnittlicher Krankenhausaufenthalt dauert 9 Tage.

Stationäre Vorsorge und Rehabilitation: Zuzahlung von 10 Euro pro Tag, bei Anschlussheilbehandlungen begrenzt auf 28 Tage.

Medizinische Rehabilitation für Mütter und Väter: Zuzahlung von 10 Euro pro Tag.

Soziotherapie und Haushaltshilfe: Zuzahlung von 10 Prozent pro Tag, jedoch höchstens 10 Euro und mindestens 5 Euro.

Aus dem Leistungskatalog der Krankenkassen ausgegliederte Leistungen (für die Sie selbst aufkommen müssen):

Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel: Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel werden von den gesetzlichen Krankenkassen grundsätzlich nicht mehr erstattet.

Ausnahmen: Bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen, wenn solche Arzneimittel zum Therapiestandard gehören. (Zuzahlung wie bei allen Medikamenten.)

Weitere Ausnahmen: Verordnungen für Kinder bis zum 12. Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen.

Arzneimittel, die überwiegend der Verbesserung der privaten Lebensführung dienen (z.B. Viagra), werden nicht erstattet.

Fahrkosten: Fahrkosten zur ambulanten Be­handlung werden grundsätzlich nicht mehr von der Krankenkasse übernommen. Ausnahme: Wenn es zwingende medizinische Gründe gibt, kann die Krankenkasse in besonderen Fällen eine Genehmigung erteilen und die Fahrkosten übernehmen.

Sehhilfen/Brillen: Grundsätzlich übernehmen die Krankenkassen keinen Zuschuss mehr. Ausnahme: Ein Leistungsanspruch besteht auch weiterhin für Kinder und Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr sowie für schwer sehbeeinträchtigte Menschen.

Künstliche Befruchtung: Drei Versuche werden von der Krankenkasse zu 50 Prozent übernommen. Altersbegrenzung für Frauen zwischen 25 und 40 Jahren, für Männer bis 50 Jahre.

Sterilisation: Keine Kostenübernahme bei Sterilisationen, die der persönlichen Lebensplanung dienen. Ausnahme: Für medizinisch notwendige Sterilisationen werden die Kosten weiterhin von der Krankenkasse übernommen.

Sterbegeld/Entbindungsgeld: Gehören nicht mehr zum Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung.

Zahnersatz: Die gesetzlichen Krankenkassen gewähren befundbezogene Festzuschüsse. Darüber hinausgehende Kosten für höherwertigen Zahnersatz müssen die Patienten tragen. Die Bonusregelungen gelten weiterhin.

(alle Angaben ohne Gewähr)

Was kranke und behinderte Menschen über Hilfsmittel und ihre Verordnung wissen sollten

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Nach den Bestimmungen für die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) haben kranke und behinderte Versicherte Anspruch auf die Versorgung mit

  • Seh- und Hörhilfen,
  • Körperersatzstücken,
  • orthopädischen und
  • anderen Hilfsmitteln

auf Kosten der Kasse, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern oder eine Behinderung auszugleichen.

Hilfsmittel sind Gegenstände unterschiedlichster Art, die als medizinische Leistungen ärztlich verordnet werden. Im Unterschied zu Arznei-, Verband- und Heilmitteln sind Hilfsmittel nicht budgetiert. Allerdings muss die Krankenkasse die Kostenübernahme genehmigen.

Eine Bewilligung gibt es allerdings nicht, wenn die Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem Nutzen sind oder der Abgabepreis zu gering ist. Allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens sind keine Hilfsmittel.

Übrigens: Zu unterscheiden von den Hilfsmitteln sind die „Heilmittel“. Das sind persönlich erbrachte medizinische (Dienst-)Leistungen, also Massagen, Physiotherapie, Logopädie, Ergotherapie. Heilmittel müssten daher eigentlich als „Heilleistungen“ bezeichnet werden.

Das offizielle Hilfsmittelverzeichnis für die GKV enthält rund 44.000 Hilfsmittel. Es ist im Internet zu finden unter: www.rehadat-gkv.de.

Patienten können nicht jedes Hilfsmittel über ein Sanitätshaus oder eine Apotheke ihrer Wahl beziehen. Die Krankenkassen sind nämlich verpflichtet, Lieferanten für Hilfsmittel über ein öffentliches Ausschreibungsverfahren zu bestimmen. Diese Hilfsmittel müssen von den Versicherten beim Ausschreibungsgewinner der jeweiligen Krankenkasse bezogen werden. Welche Hilfsmittel sie bei welcher Firma bekommen, erfahren die Patienten bei ihrer Krankenkasse.

Offizielle Produktgruppen der Hilfsmittel:

01 Absauggeräte
02 Adaptionshilfen
03 Applikationshilfen
04 Bade- und Duschhilfen
05 Bandagen
06 Bestrahlungsgeräte
07 Blindenhilfsmittel
08 Einlagen
09 Elektrostimulationsgeräte
10 Gehhilfen
11 Hilfsmittel gegen Dekubitus
12 Hilfsmittel bei Tracheostoma und Laryngektomie
13 Hörhilfen
14 Inhalations- und Atemtherapiegeräte
15 Inkontinenzhilfen
16 Kommunikationshilfen
17 Hilfsmittel zur Kompressionstherapie
18 Kranken- und Behindertenfahrzeuge
19 Krankenpflegeartikel
20 Lagerungshilfen
21 Messgeräte für Körperzustände/-funktionen
22 Mobilitätshilfen
23 Orthesen/Schienen
24 Beinprothesen
25 Sehhilfen
26 Sitzhilfen
27 Sprechhilfen
28 Stehhilfen
29 Stomaartikel
30 Hilfsmittel zum Glukosemanagement
31 Schuhe
32 Therapeutische Bewegungsgeräte
33 Toilettenhilfen
34 Haarersatz
35 Epithesen
36 Augenprothesen
37 Brustprothesen
50 Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege
51 Pflegehilfsmittel zur Körperpflege/Hygiene und zur Linderung von Beschwerden
52 Pflegehilfsmittel zur selbständigeren Lebensführung/Mobilität
54 Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel
98 Sonstige Pflegehilfsmittel
99 Verschiedenes

Zuzahlungen für Hilfsmittel

Versicherte ab dem 18. Geburtstag müssen zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Hilfsmittel folgende Zuzahlungen leisten: 10 Prozent des Abgabepreises, mindestens 5 Euro bis maximal 10 Euro, aber nicht mehr als der Abgabepreis.

Sonderregelung für Verbrauchsgüter (zum Beispiel Windeln bei Inkontinenz):

10 Prozent des Abgabepreises höchstens 10 Euro für den Monatsbedarf pro Indikation. Daher ist es wichtig, dass der Arzt auf dem Rezept den Bedarfszeitraum angibt. Darauf sollten Sie achten.

Festbeträge

Festbeträge sind „feste“ Preisobergrenzen. Mit dieser Grenze wird durch die Kassen bundesweit festgelegt, wie viel die Krankenkasse für ein bestimmtes Hilfsmittel oder auch Arzneimittel bezahlt.

Bisher gibt es für sechs Hilfsmittelarten Festbeträge. Das sind Hilfsmittel zur Kompressionstherapie, Hörhilfen, Sehhilfen, aufsaugende Inkontinenzhilfen, Stomaartikel und Einlagen. Bei den Kompressionsstrümpfen gelten die Festbeträge aber nicht, wenn Sie eine lymphatische Erkrankung haben. Ob das bei Ihnen der Fall ist, sagt Ihnen Ihr Arzt.

Aufzahlungen

Gesetzlich Krankenversicherte erhalten die Hilfsmittel, deren Preise den Festbetrag nicht überschreiten, kostenfrei – abzüglich der gesetzlichen Zuzahlung von maximal 10 Euro. Wenn der Preis des benötigten Hilfsmittels bei dem gewählten Anbieter über dem Festbetrag liegt, muss der darüber hinausgehende Betrag selbst bezahlt werden. Diesen Betrag nennt man Aufzahlung.

Es gibt viele Anbieter, die Hilfsmittel zu den Festbeträgen abgeben. Im Gegensatz zu den gesetzlichen Zuzahlungen können Sie hier eine Aufzahlung vermeiden, indem Sie den Anbieter wechseln. Fragen Sie Ihre Krankenkasse nach Firmen, die zum Festbetrag liefern. Grundsätzlich soll es möglich sein, ohne Aufzahlung ein Hilfsmittel zu bekommen. Falls man aber unbedingt ein Produkt einer bestimmten Firma haben will, kann es sein, dass man aufzahlen muss.

Bei „meinem“ Leistungserbringer kann ich eine aufzahlungsfreie Versorgung nicht verlangen. Wenn ich die Aufzahlung vermeiden will, muss ich den Anbieter wechseln. Aufzahlungen werden bei der Belastungsgrenze nicht berücksichtigt.

Hilfsmittel und Verbrauchsgüter bei Pflegebedürftigkeit

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Im Rahmen der häuslichen Pflege eines Pflegebedürftigen stellen die Pflegekassen zur Erleichterung der Pflege und zur Linderung der Beschwerden der Pflegebedürftigen oder zur Ermöglichung einer selbstständigen Lebensführung Pflegehilfsmittel zur Verfügung. Der Anspruch auf Pflegehilfsmittel und technische Pflegehilfsmittel besteht unabhängig vom Pflegegrad. Voraussetzung ist natürlich, dass kein anderer Leistungsträger die Kosten übernimmt.

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Für die Bereitstellung von Pflegehilfsmitteln ist kein Rezept notwendig. Es genügt eine Mitteilung des Pflegebedürftigen (oder seiner Angehörigen) an die Pflegekasse. Die Kosten für die Pflegehilfsmittel können nur im Rahmen der häuslichen Pflege von der Pflegekasse übernommen werden (bis 40 Euro monatlich).

Unser Tipp: Der Bedarf an Pflegehilfsmitteln sollte am besten schon bei der Begutachtung durch den Medizinischen Dienst festgehalten werden.

Das Pflegehilfsmittelverzeichnis ist in folgende Produktgruppen eingeteilt:

Pflegehilfsmittel zur Erleichterung der Pflege

Pflegebetten
  • Pflegebetten, manuell verstellbar
  • Pflegebetten, motorisch verstellbar
  • Kinder/Kleinwüchsigenbetten
Pflegebettzubehör
  • Bettverlängerungen
  • Bettverkürzungen
  • Bettgalgen
  • Aufrichthilfen
  • Seitengitter
  • Fixierbandagen
Bettzurichtungen zur Pflegeerleichterung
  • Einlegerahmen
  • Rückenstützen, manuell verstellbar
  • Rückenstützen, motorisch verstellbar
Spezielle Pflegebetttische
  • Pflegebetttische
  • Bettnachtschränke mit verstellbarer Tischplatte
  • Pflegeliegestühle
  • Mehrfunktionsliegestühle, manuell verstellbar
  • Rollstühle mit Sitzkantelung
  • Lagerkorrekturhilfen für Bettlaken

Bei technischen Pflegehilfsmitteln wird eine Zuzahlung von 10 Prozent, maximal 25 Euro pro Hilfsmittel erhoben (Befreiung möglich).

Pflegehilfsmittel zur Körperpflege/Hygiene

Produkte zur Hygiene im Bett
  • Bettpfannen
  • Urinflaschen
  • Urinschiffchen
  • Urinflaschenhalter
  • Saugende Bettschutzeinlagen, wiederverwendbar, verschiedene Größen
Waschsysteme
  • Kopfwaschsysteme
  • Ganzkörperwaschsysteme
  • Duschwagen

Pflegehilfsmittel zur selbstständigeren Lebensführung/Mobilität

Notrufsysteme
  • Hausnotrufsysteme, Solitärgeräte
  • Hausnotrufsysteme, angeschlossen an Zentrale

Pflegehilfsmittel zur Linderung von Beschwerden

Lagerungsrollen
  • Lagerungsrollen
  • Lagerungshalbrollen

Zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel

Die Kosten hierfür werden bis 40 Euro monatlich von der Pflegekasse übernommen. Eine Zuzahlung entfällt, da es sich um eine Leistung der Pflegekasse handelt, nicht der Gesetzlichen Krankenversicherung. Es liegt im Interesse der Betroffenen und ihrer Angehörigen, die günstigsten Anbieter hierfür zu finden. Die Pflegekassen halten meist eine Liste der zugelassenen Vertragsfirmen bereit.

Saugende Bettschutzeinlagen
  • Saugende Bettschutzeinlagen, Einmalgebrauch, verschiedene Größen
Schutzbekleidung
  • Fingerlinge
  • Einmalhandschuhe
  • Mundschutz, Medizinische Masken
  • Schutzschürzen
Sonstige zum Verbrauch bestimmte Pflegehilfsmittel
  • Hände- und Flächendesinfektionsmittel

Auch junge Menschen können pflegebedürftig sein

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Pflegebedürftigkeit beschränkt sich keineswegs nur auf alte Menschen. In allen Altersstufen kann Pflegebedürftigkeit vorkommen. Auch Kinder können betroffen sein. Als Beispiele für die Ursachen seien hier genannt Behinderungen aufgrund Sauerstoffmangels während der Geburt, Stoffwechselstörungen, Abbauerkrankungen der Muskulatur oder des Nervensystems sowie Missbildungen der Knochen und Gelenke. Viele der pflegebedürftigen Kinder haben bei sorgfältiger medizinischer Behandlung, umfassender Betreuung und angemessener Förderung eine Lebenserwartung von 50 und mehr Jahren. Für die Feststellung der außergewöhnlichen Pflegebedürftigkeit bleibt die altersgemäß notwendige Unterstützung außer Betracht. Das neue Begutachtungssystem hat sich positiv für pflegebedürftige Kleinkinder ausgewirkt, da es nicht mehr auf den vermeintlichen Zeitaufwand bei der Pflege, sondern auf die Beeinträchtigung der Selbständigkeit ankommt.

Bei Kleinkindern und Schulkindern sind Unfälle, gerade auch Verkehrsunfälle, eine häufige Ursache für lebenslange Pflegebedürftigkeit. In Deutschland erleiden z.B. täglich etwa 20 Kinder Lähmungen oder bleibende Veränderungen der Persönlichkeit allein aufgrund von Verkehrsunfällen. Die Solidargemeinschaft durfte die betroffenen Familien nicht länger auf sich allein gestellt sein lassen bzw. zum Sozialamt schicken, daher wurden diese Personengruppen in den Schutz der Pflegeversicherung einbezogen.

Unfälle, und auch hier besonders Verkehrsunfälle, sind auch bei Jugendlichen und Erwachsenen häufig Ursache von Pflegebedürftigkeit. Querschnittslähmungen mit Bewegungsunfähigkeit der Beine – in schlimmeren Fällen auch der Arme – oder der Verlust von Großhirnfunktionen lösen häufig eine aufwendige und lebenslange Pflegebedürftigkeit aus. Zu Pflegebedürftigkeit mit Bettlägerigkeit und völliger Hilflosigkeit bei der Essenszubereitung und Körperpflege kommt es vielfach auch im Endstadium der Aids-Erkrankung.

Bei der älteren Generation führen vor allem akut oder chronisch auftretende Erkrankungen mit einem Teilverlust der Gehirnfunktionen am häufigsten in die Pflegebedürftigkeit. In der Bundesrepublik leben etwa 600 000 Menschen mit den Folgen eines Schlaganfalls. Jedes Jahr erkranken etwa 150 000 Menschen neu. Rund ein Viertel dieser Menschen sind nach der Entlassung aus dem Krankenhaus pflegebedürftig. Sie benötigen dauernde Hilfen oder Überwachung. Etwa die gleiche Anzahl Betroffener braucht wenigstens zeitweise Hilfen bei alltäglichen Verrichtungen.

Das Risiko der Pflegebedürftigkeit bleibt über die ersten Jahrzehnte des Lebens hinweg konstant niedrig bei etwa 0,5 bis 0,7 Prozent bis zum sechzigsten Lebensjahr. Dann wird es mit zunehmendem Alter größer: Heute sind über 40 Prozent der Menschen über 80 Jahre pflegebedürftig.

Wie wir wissen, wird die Zahl der Menschen über 65 Jahren in den vor uns liegenden Jahrzehnten weiter zunehmen. Schon heute hat ein 65jähriger Mann noch eine durchschnittliche Lebenserwartung von über 17, eine gleichaltrige Frau von rund 21 Jahren. Immer mehr Menschen werden älter als 80 Jahre und erreichen damit ein Alter mit einem hohen Risiko der Pflegebedürftigkeit. Dabei darf selbstverständlich nicht unterstellt werden, dass Alter zugleich Pflegebedürftigkeit bedeutet. Pflegebedürftigkeit auch im hohen Alter zu vermeiden und den Menschen ihre Selbstständigkeit zu erhalten, muss oberstes Ziel sein.

Welche Hilfen gewährt die Pflegeversicherung?

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Die Pflegeversicherung ist keine Vollversicherung, sie deckt nur einen Teil der Kosten ab, die im Rahmen der Pflege entstehen. Um die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern niedrig zu halten, wurden die Leistungen bei ihrer Einführung stark begrenzt. Nur so war es möglich, diese neue Sozialleistung einzuführen.

22 Jahre nach ihrer Einführung wurde die Gesetzliche Pflegeversicherung auf eine neue Grundlage gestellt. Seit 2017 erhalten erstmals alle Pflegebedürftigen einen gleichberechtigten Zugang zu den Leistungen – unabhängig davon, ob sie an körperlichen Beschwerden leiden oder an einer Demenz erkrankt sind.

Die ursprünglich drei Pflegestufen wurden durch fünf Pflegegrade abgelöst.

Leistungen bei der Pflege zuhause

Die Leistungen in der ambulanten Pflege wurden ausgeweitet und an den Bedarf angepasst. Betreuungsmaßnahmen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld – und damit zur Entlastung der Angehörigen – wurden als Regelleistung der Pflegeversicherung eingeführt, 125 Euro pro Monat für alle Pflegegrade. Das Geld kann nur für den Einsatz anerkannter Betreuungsdienste eingesetzt werden. Oft arbeiten diese mit geschulten, ehrenamtlich tätigen Helfern. Dieser „Entlastungsbetrag“ steht als Jahresbetrag (1.500 Euro) zur Verfügung; wird er im Kalenderjahr nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag in das folgende Kalenderhalbjahr übertragen werden. In diesem Fall müssen die übertragenden Leistungen aber bis 30.6. des Folgejahres erbracht werden.

Bei Pflegegrad 1 wird „nur“ eine Betreuungsleistung gewährt. Damit soll erreicht werden, bei dieser Pflegegruppe mit bis dahin leichten Schwierigkeiten die Fähigkeiten zur eigenständigen Bewältigung des Alltages zu stärken und so lange wie möglich zu erhalten.

Für die Pflegegrade 2 bis 4 werden unterschiedlich hohe Leistungen gewährt. Bei den Leistungen wird grundsätzlich danach unterschieden, ob die pflegebedürftige Person zu Hause oder in einer Einrichtung versorgt wird.

Pflegebedürftigen, die zuhause gepflegt werden, stehen Wahlmöglichkeiten zu. Im Prinzip gewährt ihnen die Pflegeversicherung einen Pflege-Etat. Wie hoch dieses Budget ist, richtet sich nach dem Pflegegrad.

Unterschieden wird zwischen

  • dem Pflegegeld für Angehörige sowie ehrenamtliche Helfer (z.B. Nachbarn) und
  • einem Zuschuss für einen Pflegedienst. (Der dafür offiziell verwendete Begriff „Sachleistung“ ist irreführend, da es sich um eine Dienstleistung handelt). Eine Auszahlung von Geld ist nicht möglich.

Leistungen von Pflegediensten

Zu den von zugelassenen professionellen Pflegediensten zu erbringenden „Sachleistungen“, zählen folgende Leistungen:

  • Körperbezogene Pflegemaßnahmen, wie etwa Körperpflege, Ernährung, Förderung der Bewegungsfähigkeit
  • Pflegerische Betreuungsmaßnahmen, zum Beispiel Hilfe bei der Orientierung, bei der Gestaltung des Alltags oder auch bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte
  • Häusliche Krankenpflege (nach ärztlicher Verordnung) als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung, wie zum Beispiel Medikamentengabe, Injektionen, Verbandswechsel
  • Beratung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen bei pflegerischen Fragestellungen, Unterstützung bei der Vermittlung von Hilfsdiensten wie Essensbelieferung oder Organisation von Fahrdiensten und Krankentransporten
  • Hilfen bei der Haushaltsführung, zum Beispiel Kochen oder Reinigen der Wohnung.

Unser Tipp: Wenn die pflegebedürftige Person zusätzlich zum allgemeinen Pflegebedarf aufgrund einer Erkrankung oder einer Operation spezielle Pflege benötigt, stellt der Arzt zu Lasten der Krankenkasse eine gesonderte Verordnung aus. Die spezielle Pflege darf selbstverständlich vom gleichen Pflegedienst erbracht werden. Das Budget für Pflegedienste wird insoweit geschont. Dies sollten die Angehörigen im Blick haben.

Pflegebedürftige können beim Einsatz von Pflegediensten zwischen Leistungen und Zeiteinheiten frei wählen. Mit dem Pflegedienst kann zum Beispiel vereinbart werden, dass die Zeit für einen Spaziergang statt zur Körperpflege genutzt werden soll.

In den vergangenen Jahren haben Pflegedienste ihre Preise deutlich erhöht. Wird mehr Leistung benötigt, als die Pflegekasse übernimmt, müssen die Pflegebedürftigen die Mehrkosten selbst tragen. Sofern sie – abgesehen von einem „Schonvermögen“ von 10.000 Euro – mittellos sind, können sie hierfür Hilfe beim Sozialamt beantragen. Der Antrag sollte beim Eintritt der Notsituation zügig gestellt werden. Maßgebend ist die Bedarfsfeststellung des MDK. Kinder werden erst ab einem Jahreseinkommen von 100.000 Euro herangezogen (siehe unseren Text „Wenn das Geld für die Pflege nicht reicht“).

Das Pflegegeld und die Sätze für Pflegedienste bei häuslicher Pflege sollen zum 1.1.2025 nochmals um 4,5 Prozent angehoben werden.

Kombinationsleistung

Aufgepasst: Pflegebedürftige im häuslichen Bereich können Pflegegeld und Zuschuss für einen Pflegedienst auch kombinieren. Nehmen sie nur einen Teil des Betrages für Pflegedienste in Anspruch, so wird ihnen ein anteiliges Pflegegeld ausgezahlt. Also: Bei 60 % Verbrauch der Pflegeleistungen gibt es noch 40 % des Pflegegeldes.

Umwandlungsanspruch

Wird der Betrag für Pflegeleistungen nicht ausgeschöpft, kann der nicht verbrauchte Betrag verwendet werden, um zusätzliche Leistungen der anerkannten Anbieter zur Unterstützung im Alltag zu bekommen – siehe „Entlastungsbetrag“. Bis zu 40 Prozent des jeweiligen ambulanten Sachleistungsbetrags können auf diese Weise umgewandelt werden.

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Beratung zuhause

Die Leistungen für die häusliche Pflege wurden in den zurückliegenden Jahren stark ausgeweitet. Damit das Geld möglichst optimal für die Pflegebedürftigen eingesetzt wird, hat man auch die Beratungsangebote ausgebaut. Angehörige unterschätzen nicht selten die mit der Pflege verbundenen Belastungen oder überschätzen ihre pflegerischen Kenntnisse. Deshalb wurden für Pflegebedürftige, die ausschließlich durch Angehörige gepflegt werden, sogar Pflichtberatungen eingeführt. Pflegebedürftige, die ausschließlich Pflegegeld beziehen, müssen in den Pflegegraden 2 und 3 einmal pro Halbjahr sowie in den Pflegegraden 4 und 5 einmal pro Quartal eine Beratung in der eigenen Häuslichkeit in Anspruch nehmen.

Unser Tipp: Bitten Sie die Fachkraft um Anregungen für Hilfsmittel und ggf. um eine Einschätzung, ob eine Einstufung in einen höhere Pflegegrad beantragt werden sollte.

Hilfsmittel zur Pflege

Die Pflegekasse stellt (in der Regel leihweise) technische Hilfsmittel zur Verfügung, z.B. Pflegebetten, Aufricht- bzw. Sitzhilfen, Notrufsystem oder Badewannenlifter. Die Prüfung des Bedarfs obliegt der Pflegekasse unter Beteiligung des Medizinischen Dienstes. Eine ärztliche Verordnung ist nicht erforderlich. Bei technischen Hilfsmitteln wird ein Eigenanteil von 10 Prozent, höchstens 25 Euro, berechnet. Größere Hilfsmittel werden meist leihweise bereitgestellt. Auch Verbrauchsmittel wie zum Beispiel saugende Bettschutzeinlagen, Schutzbekleidung wie Fingerlinge oder Einmalhandschuhe, Mundschutz, Schutzschürzen und Desinfektionsmittel werden bis zum Wert von 40 Euro pro Monat gestellt. Unser Tipp: Sprechen Sie das Thema beim Besuch des Medizinischen Dienstes an!

Die Empfehlungen des Gutachters für Hilfsmittel sind maßgebend und gelten, wenn der Pflegebedürftige einverstanden ist, bereits als Antrag. Dieses neue Verfahren dient der Beschleunigung und Entbürokratisierung.

Aus dem gleichen Grund können seit Anfang 2022 auch Pflegefachkräfte eine schriftliche Empfehlung für die Hilfsmittel- bzw. Pflegehilfsmittelversorgung ausstellen (Richtlinie der Gesetzlichen Krankenversicherungen, GKV). Sie wird in der Regel durch die Krankenkasse akzeptiert, wenn das Hilfsmittel zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung von Beschwerden beiträgt oder der pflegebedürftigen Person eine selbstständigere Lebensführung ermöglicht.

Unser Tipp: Bei einer Reihe von Hilfsmitteln und Verbrauchsstoffen kommt vorrangig eine Leistungspflicht der Krankenkasse und nicht der Pflegekasse in Betracht. Diese Hilfsmittel werden vom Arzt zu Lasten der Krankenkasse verordnet (z.B. Gehhilfen, Rollstühle, orthopädische Schuhe, Lichtklingel für Gehörlose). Für sie gilt die Grenze von 40 Euro nicht, wohl aber gelten die üblichen Zuzahlungsregelungen, inklusive der Befreiungsmöglichkeit. In diesen Fällen können die oben genannten Verbrauchsmittel zur Pflege zusätzlich abgerufen werden!

Verbesserungen in der Wohnung

Wenn ein Pflegebedürftiger oder jemand, der in seiner Alltagskompetenz dauerhaft erheblich eingeschränkt ist, zu Hause gepflegt und betreut wird, kann es hilfreich sein, das Wohnumfeld an die besonderen Belange des Pflege- oder Betreuungsbedürftigen individuell anzupassen. Hierfür gewährt die Pflegeversicherung einen Zuschuss von bis zu 4.000 Euro. Sofern mehrere Betroffene zusammenwohnen, vervielfacht sich der Betrag (bis zum Vierfachen).

Verhinderungspflege

Macht die private Pflegeperson Urlaub oder ist sie durch Krankheit vorübergehend an der Pflege gehindert, übernimmt ab Pflegegrad 2 die Pflegeversicherung für bis zu 42 Tage im Jahr die Kosten einer Verhinderungspflege, auch Ersatzpflege genannt. Dafür gibt es 1.612 Euro pro Jahr, bis zu 6 Wochen pro Kalenderjahr sind möglich. Außerdem können bis zu 806 Euro des nicht benötigiten Betrages der Kurzzeitpflege zusätzlich für Verhinderungspflege ausgegeben werden. Sie kann dadurch auf maximal 2.418 Euro ausgeweitet werden. Der für die Verhinderungspflege in Anspruch genommene Erhöhungsbetrag wird auf den Leistungsbetrag für eine Kurzzeitpflege angerechnet. Wenn nahe Angehörige die Ersatzpflege wahrnehmen, werden die Zahlungen auf den 1,5-fachen Betrag des Pflegegeldes beschränkt. Fahrtkosten und Verdienstausfälle können erstattet werden. Bei tageweiser Verhinderungspflege wird das Pflegegeld um 50 Prozent gekürzt.

Während einer Verhinderungspflege wird das bisher bezogene (anteilige) Pflegegeld für bis zu sechs Wochen und bei einer Kurzzeitpflege für bis zu acht Wochen je Kalenderjahr in halber Höhe weitergezahlt.

Die Verhinderungspflege kann auch in einem Heim durchgeführt werden. Dann erhöht sich das Budget für Kurzzeitpflege. Allerdings fallen in einem Heim hohe Eigenanteile an, die das Sozialamt möglicherweise nicht übernimmt.

Muss die Pflegeperson an einer Maßnahme der stationären Rehabilitation teilnehmen, gibt es besondere Hilfen durch die Pflegekasse. Eine neu geschaffene Möglichkeit ist, dass die pflegebedürftige Person in diesem Zeitraum innerhalb der Reha-Einrichtung gepflegt wird. Hier sollte man sich beraten lassen.

Kurzzeitpflege

Viele Pflegebedürftige sind nur für eine begrenzte Zeit auf vollstationäre Pflege angewiesen, insbesondere zur Bewältigung von Krisensituationen bei der häuslichen Pflege oder übergangsweise im Anschluss an einen Krankenhausaufenthalt. Für sie gibt es die Kurzzeitpflege in entsprechenden stationären Einrichtungen. Die Leistung beträgt bis zu 1.774 Euro für die Kosten einer notwendigen Ersatzpflege bis zu 4 Wochen. Personen mit dem Pflegegrad 1 können den Betreuungsbetrag in Höhe von 125 Euro pro Monat, also bis zu 1.500 Euro im Jahr, einsetzen, um Leistungen der Kurzzeitpflege zu nutzen.

Die während der Kurzzeitpflege entstehenden Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie die Investitionskosten (die sogenannten „Hotelkosten") muss der Pflegebedürftige grundsätzlich selbst tragen. Eine Teilerstattung durch die Pflegekasse ist möglich. Auch kann man nicht genutzten Betreuungsbetrag einsetzen. Wichtig ist, vorher mit der Einrichtung die Höhe des Eigenanteils zu klären.

Der im Kalenderjahr bestehende, noch nicht verbrauchte Leistungsbetrag für Verhinderungspflege kann auch für Leistungen der Kurzzeitpflege eingesetzt werden. Dadurch kann der Leistungsbetrag der Kurzzeitpflege auf 3.386 Euro erhöht werden; parallel kann auch die Zeit für die Inanspruchnahme von 4 auf bis zu 8 Wochen ausgeweitet werden. Der für die Kurzzeitpflege in Anspruch genommene Erhöhungsbetrag wird auf den Leistungsbetrag für eine Verhinderungspflege angerechnet.

Vorschau: Zum 1. Juli 2025 werden die Leistungsbeträge der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege zu einem Jahresbetrag für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege zusammengefasst. Damit wird für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege ab dem 1. Juli 2025 ein kalenderjährlicher Gesamtleistungsbetrag zur Verfügung stehen, den die Betroffenen flexibel für beide Leistungsarten einsetzen können. Für Verhinderungspflege und Kurzzeitpflege werden ab 1. Juli 2025 bis zu 3.539 Euro je Kalenderjahr gewährt. Die Voraussetzungen bei der Verhinderungspflege und der Kurzzeitpflege werden weiter angeglichen.

Weil Familien mit schwerstbehinderten Kindern besonders belastet sind, hat der Gesetzgeber für sie eine Sonderregelung beschlossen: Für Pflegebedürftige unter 25 Jahre mit Pflegegrad 4 und 5 wurden die Vereinfachungen bei der Verhinderungspflege bereits zum 1. Januar 2024 in Kraft gesetzt.

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Teilstationäre Leistungen (Tages- oder Nachtpflege)

Wenn eine pflegebedürftige Person im Tagesverlauf zeitweise in einer Einrichtung betreut wird (Tages- oder Nachtpflege) und den Rest des Tages in der eigenen Wohnung bzw. bei der Pflegeperson verbringt, so handelt es sich um eine teilstationäre Versorgung. Hierfür gewährt die Pflegeversicherung ebenfalls Leistungen.

Die Sätze entsprechen denen für einen ambulanten Pflegedienst. Neben den Leistungen der Tages- und Nachtpflege können der Zuschuss für den Pflegedienst bzw. das Pflegegeld ungekürzt in Anspruch genommen werden.

Leistungen bei Pflege im Heim

Auch in Pflegeheimen brachte die Pflegereform 2017 Verbesserungen für alle Pflegebedürftigen. Seit 2017 gilt in jeder vollstationären Pflegeeinrichtung ein einheitlicher Eigenbetrag für den pflegebedingten Teil der Kosten. Dieser steigt künftig nicht mehr mit zunehmender Pflegebedürftigkeit. Außerdem erhalten alle Pflegebedürftigen einen Anspruch auf zusätzliche Betreuungsangebote in voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen. Die Finanzierung erfolgt durch die Gesetzliche Pflegeversicherung.

Bei der Pflege im Heim fallen für die Pflegebedürftigen zusätzlich zum pflegebedingten Eigenanteil stets weitere Kosten an: Hierzu zählen Kosten für die Unterbringung und Verpflegung. Auch müssen Bewohnerinnen und Bewohner einer Einrichtung gegebenenfalls anteilig gesondert berechenbare Investitionskosten übernehmen. Hierbei handelt es sich um Ausgaben des Betreibers für Anschaffungen, Gebäudemiete und Ähnliches, die auf die Pflegebedürftigen umgelegt werden können. Wenn die Heimbewohnerin oder der Heimbewohner zudem besondere Komfort- oder Zusatzleistungen in Anspruch nimmt, müssen diese ebenfalls privat bezahlt werden. Da die Kosten für Verpflegung, Unterkunft, Investitionen und Komfortleistungen je nach Einrichtung sehr unterschiedlich ausfallen können, ist es sehr wichtig, sich darüber bei der Auswahl eines Heims gut zu informieren.

Soziale Absicherung der Pflegepersonen

Pflegende Angehörige sind das mit Abstand größte und damit wichtigste Pflegeteam in Deutschland. Um Ihre Motivation zu stärken und ihre Leistung anzuerkennen, wurde ihre soziale Absicherung verbessert.

Wer nicht erwerbsmäßig eine oder mehrere pflegebedürftige Personen der Pflegegrade 2 bis 5 in ihrer häuslichen Umgebung für wenigstens zehn Stunden wöchentlich und an mindestens zwei Tagen in der Woche pflegt, hat Ansprüche auf Leistungen zur sozialen Sicherung. Hierbei handelt es sich um Leistungen in Bezug auf die Renten-, Unfall- und Arbeitslosenversicherung.

Personen, die einen Angehörigen im häuslichen Bereich pflegen, können unter engen Voraussetzungen in der Steuererklärung den Pflegepauschbetrag beantragen (siehe Kapitel „Erleichterungen für behinderte Menschen“). Mit Ausnahme von Eltern behinderter Kinder wird allerdings das empfangene Pflegegeld berücksichtigt.

Zusätzliche Leistungen bei Wohngruppen

Neue Wohnformen, unter anderem Senioren-Wohngemeinschaften sowie private Pflege-Wohngemeinschaften, bieten die Möglichkeit, zusammen mit Frauen und Männern in derselben Lebenssituation zu leben und Unterstützung zu erhalten – ohne auf Privatsphäre und Eigenständigkeit zu verzichten. Die Pflegeversicherung gewährt bei den Pflegegraden 1 bis 5 einen Wohngruppenzuschlag von 214 Euro im Monat sowie einen „Gründungszuschuss“ von 2.500 Euro.

Taxifahrt zum Arzt

Für Pflegebedürftige mit Pflegegrad 3, wenn sie dauerhaft in ihrer Mobilität eingeschränkt sind, und für alle Pflegebedürftigen mit Pflegegrad 4 oder 5 sowie für Menschen mit Behinderungen mit dem Eintrag „aG“ (außergewöhnliche Gehbehinderung), „Bl“ (blind) oder „H“ (hilflos) in ihrem Schwerbehindertenausweis werden Taxifahrten zu einer Behandlung einfacher. Sie gelten mit der ärztlichen Verordnung als genehmigt.

Angesichts der Vielzahl von Leistungen und Regelungen, die hier nur zusammengefasst in Form einer Übersicht wiedergegeben werden können, empfiehlt es sich in jedem Fall, die Beratung der jeweiligen Pflegekasse in Anspruch zu nehmen. Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass der Reha-Einkaufsführer für die vorgestellten Leistungen angesichts der komplizierten Voraussetzungen keine Gewähr übernehmen kann.

Rentenversicherung

Die Pflegeversicherung zahlt Beiträge zur Rentenversicherung, wenn die Pflegeperson

  • regelmäßig nicht mehr als 30 Stunden wöchentlich erwerbstätig ist,
  • noch keine Vollrente wegen Alters bezieht und
  • die Regelaltersgrenze der gesetzlichen Rentenversicherung noch nicht erreicht hat.

Die Pflegeversicherung zahlt die Beiträge ein, als würden die Pflegepersonen zwischen 668,12 und 3.535 Euro (alte Bundesländer) bzw. 654,89 und 3.465 Euro (neue Bundesländer) monatlich als Lohn erhalten. Ein Jahr Pflegetätigkeit kann zu einem monatlichen Rentenanspruch von maximal 35,16 Euro (West) bzw. 34,95 Euro (Ost) führen. Unterschieden wird, ob Pflegegeld, Kombinationsleistung oder die komplette Sachleistung bezogen wird.

Am 31.12.2021 waren 963.291 Pflegepersonen in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert. Die Einzelheiten sind der Tabelle zu entnehmen, die auf Angaben des Bundesgesundheitsministeriums beruht.

Beispiel:

Eine Pflegeperson, die einen Angehörigen mit Pflegegrad 3 ohne einen Pflegedienst pflegt, bekommt für ein Jahr Pflegetätigkeit im Alter 15,12/15,03 Euro mehr Rente im Monat (West/Ost).

Unser Tipp: Da die Pflege von Angehörigen besonders belastend ist und auf Dauer an den Kräften zehrt, sollten in Vollzeit erwerbstätige Pflegepersonen darüber nachdenken, ob sie von diesen Anreizen Gebrauch machen wollen und ihre Stundenzahl auf 30 oder niedriger senken, um von den Rentenzuschüssen zu profitieren und ihre Gesundheit zu schonen.

Voraussetzungen:

  • Nicht erwerbsmäßige Pflege einer oder mehrerer pflegebedürftiger Personen in häuslicher Umgebung mit mindestens Pflegegrad 2 im Umfang von wenigstens zehn Stunden wöchentlich, an regelmäßig mindestens zwei Tagen in der Woche, wenn die Pflegeperson keiner Beschäftigung von über 30 Stunden wöchentlich nachgeht und sie noch keine Vollrente wegen Alters bezieht.
Die Beiträge für die Rentenversicherung der Pflegepersonen werden auf der Grundlage des durchschnittlichen monatlichen Brutto-Einkommens des vorvergangenen Kalenderjahres gezahlt. Diese „Bezugsgröße“ beträgt im Jahr 2024 3.535 € (West) bzw. 3.465 € (Ost). Der Beitrag an die Rentenversicherung errechnet sich aus dem Beitragssatz von 18,6 Prozent. Die Beiträge sind nach dem Pflegegrad gestaffelt und berücksichtigen außerdem, ob die Pflegeperson allein pflegt oder ob die Hilfen für einen Pflegedienst ganz oder teilweise abgerufen werden. Die Beiträge der Pflegekassen für die Pflegepersonen belaufen sind auf über 3 Milliarden Euro jährlich.

Pflegezeit

Im Rahmen der „Familienpflegezeit“ können Beschäftigte, die einen nahen Angehörigen pflegen, eine teilweise Freistellung von der Arbeitsleistung bei entsprechend reduziertem Gehalt für bis zu 24 Monate erhalten. Dieser Anspruch gilt nur gegenüber Arbeitsgebern ab 25 Beschäftigten (ohne Azubis).

Im Rahmen der „Pflegezeit“ können Pflegepersonen, die einen minderjährigen Angehörigen oder eine Angehörigen in der letzten Lebensphase pflegen, von ihrem Arbeitgeber für bis zu sechs Monate eine teilweise oder vollständige Reduzierung ihrer Arbeitszeit (ohne Lohnausgleich) verlangen. Der Anspruch gilt nur gegenüber Arbeitgebern ab 15 Beschäftigten.

Für Pflegepersonen, die aus dem Beruf aussteigen, um sich um pflegebedürftige Angehörige zu kümmern, bezahlt die Pflegeversicherung seit dem 1. Januar 2017 die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung für die gesamte Dauer der Pflegetätigkeit.

Arbeitnehmer, die gemäß Pflegezeitgesetz von der Arbeitsleistung vollständig freigestellt wurden oder deren Arbeitsverhältnis durch Reduzierung der Arbeitszeit zu einer geringfügigen Beschäftigung wird, erhalten auf Antrag Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung, soweit im Einzelfall keine beitragsfreie Familienversicherung möglich ist.

Freistellung bei akutem Problem

Um für einen pflegebedürftigen nahen Angehörigen in einer akut aufgetretenen Pflegesituation eine erforderliche bedarfsgerechte Pflege zu organisieren oder eine pflegerische Versorgung in dieser Zeit sicherzustellen, haben Beschäftigte das Recht, bis zu zehn Arbeitstage der Arbeit (ohne Lohnfortzahlung) fernzubleiben. Damit soll Arbeitnehmern ermöglicht werden, bei plötzlich auftretenden Problemen die Pflege des nahen Angehörigen zu organisieren oder zunächst selbst zu übernehmen. Dies gilt laut Bundesgesundheitsministerium auch dann, wenn durch ein Ereignis – wie zum Beispiel ein Schlaganfall – die Pflegebedürftigkeit erstmals auftritt. Selbstverständlich muss der Beschäftigte den Arbeitgeber schnellstmöglich informieren. Die gesundheitliche Notsituation wie auch die dringliche Notwendigkeit der Organisation der Pflege müssen – wenn der Arbeitgeber das wünscht – durch eine ärztliche Bescheinigung nachgewiesen werden. Die Sozialversicherungen bleiben in dieser Zeit bestehen.

Pflegeunterstützungsgeld

Für kurzzeitige Arbeitsverhinderung haben Beschäftigte, die für diesen Zeitraum keine Entgeltfortzahlung vom Arbeitgeber und kein Kranken- oder Verletztengeld bei Erkrankung oder Unfall eines Kindes beanspruchen können, nach dem Pflegezeitgesetz Anspruch auf einen Ausgleich für entgangenes Arbeitsentgelt (Pflegeunterstützungsgeld) für bis zu insgesamt 10 Arbeitstage im Kalenderjahr. Die pro pflegebedürftige Person gewährten 10 Arbeitstage können auf mehrere pflegende Angehörige aufgeteilt werden. Es bleibt aber bei 10 Tagen insgesamt. Der Antrag auf Pflegeunterstützungsgeld muss so schnell wie möglich zusammen mit einer ärztlichen Bescheinigung bei der Pflegekasse des Pflegebedürftigen eingereicht werden.

Leistung: 90% des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem Arbeitsentgelt der Versicherten; 100% des ausgefallenen Nettoarbeitsentgelts aus beitragspflichtigem einmaligem Einkommen in den letzten 12 Monaten. Kappung auf 70% der Beitragsbemessungsgrenze.

Reha für Pflegepersonen

Wegen der starken Belastung der Pflegepersonen, haben diese das Recht auf eine stationäre Reha alle vier Jahre. Der Antrag muss medizinisch begründet sein und sollte über den Hausarzt bei der Krankenkasse eingereicht werden. Darauf weist der Sozialverband VdK hin. Ziel der Reha ist, die Gesundheit wieder herzustellen und die Pflegeperson in die Lage zu versetzen, die Belastung besser bewältigen zu können. Bei einer Ablehnung des Antrages rät der VdK, Widerspruch einzulegen, da diesem oft stattgegeben werde.

Wie bekomme ich Hilfe von der Pflegeversicherung?

franke

Leistungen der Pflegekassen können nur gewährt werden, wenn die versicherte Person (bzw. ein bevollmächtigter Angehöriger) bei ihrer Pflegeversicherung einen Antrag eingereicht hat. Zuständig ist die Krankenkasse, bei der die pflegebedürftige Person versichert ist.

Wichtig: Leistungen der Pflegekassen können nicht rückwirkend gewährt werden. Der Antrag sollte deshalb umgehend bei Eintritt des Hilfebedarfs eingereicht werden. Am besten ruft man vorab die Krankenkasse an und bespricht die Formalitäten.

Die Pflegekasse beauftragt dann den Medizinischen Dienst der Krankenversicherungen (MDK) mit der Prüfung, ob die Voraussetzungen für Pflegebedürftigkeit erfüllt sind und welcher Grad der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Ein Gutachter des MDK untersucht dazu die Person in ihrer Wohnung bzw. im Heim. Die Feststellungen des Gutachters gelten rückwirkend für den Zeitpunkt der Antragstellung. Das Gutachten muss innerhalb von fünf Wochen erstellt werden.

Das neue Begutachtungssystem

Die Maßstäbe für die Begutachtung pflegebedürftiger Menschen wurden 2017 durch ein vollkommen neues System abgelöst.

Das neue System der Begutachtung soll den Grad der Selbstständigkeit der pflegebedürftigen Person in verschiedenen Bereichen feststellen. Daraus ergibt sich dann die Einstufung in einen Pflegegrad.

Der Gutachter bzw. die Gutachterin des Medizinischen Dienstes wird beobachten, wie selbstständig jemand ist und welche Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit oder der Fähigkeiten vorliegen. Das geschieht in der Regel bei einem vereinbarten Hausbesuch. Hierbei werden die Fähigkeiten der Menschen in den folgenden acht Lebensbereichen begutachtet:

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1. Mobilität:

Körperliche Beweglichkeit, z.B., ob die Person allein aufstehen und vom Bett ins Badezimmer gehen kann oder ob sie sich selbständig im Wohnbereich fortbewegen und Treppen steigen kann.

2. Kognitive und kommunikative Fähigkeiten:

Verstehen und Reden, z.B., ob die Person sich zeitlich und räumlich orientieren kann, ob sie Sachverhalte versteht, Risiken erkennen und Gespräche mit anderen Menschen führen kann.

3. Verhaltensweisen und psychische Problemlagen:

Hierunter fallen unter anderem Unruhe in der Nacht oder Ängste und Aggressionen, die für die pflegebedürftige Person und andere belastend sind, aber auch die Abwehr pflegerischer Maßnahmen.

4. Selbstversorgung:

Z.B. inwieweit sich die Person selbständig waschen, ankleiden, die Toilette aufsuchen, sowie essen und trinken kann.

5. Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen oder Belastungen:

Z.B., ob die Person die Fähigkeit hat, Medikamente selbst einzunehmen, Blutzuckermessungen selbst durchzuführen, zu deuten, ob sie mit Hilfsmitteln wie Prothesen oder einem Rollator zurechtkommt und den Arzt aufsucht.

6. Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte:

Z.B. die Fähigkeit, den Tagesablauf selbständig zu gestalten, mit anderen Menschen in direkten Kontakt zu treten oder ein Treffen ohne Hilfe zu besuchen.

Die nachfolgenden Module 7 und 8 werden nicht für die Einstufung der Pflegebedürftigkeit herangezogen. Sie ermöglichen, die Pflegebedürftigen in Bezug auf weitere Angebote oder Sozialleistungen zu beraten oder einen individuellen Versorgungsplan zu erstellen. Für die Pflegekräfte enthalten sie Informationen für eine individuellere Pflegeplanung.

7. Außerhäusliche Aktivitäten:

In diesem Feld wird erhoben, ob sich die Person selbständig im öffentlichen Raum bewegen, an Veranstaltungen teilnehmen und welche Transportmittel sie selbständig nutzen kann.

8. Haushaltsführung:

In diesem Modul wird die Selbständigkeit bei Tätigkeiten wie Einkaufen, Behördengänge oder der Regelung finanzieller Angelegenheiten ermittelt.

Erst aufgrund einer Gesamtbewertung aller Fähigkeiten und Beeinträchtigungen erfolgt die Einstufung in einen der fünf Pflegegrade. In den einzelnen Modulen bzw. Lebensbereichen werden für jedes erhobene Kriterium je nach Schweregrad der Beeinträchtigungen Punkte vergeben, zusammengezählt und gewichtet. Denn die Module fließen unterschiedlich gewichtet in die Gesamtwertung ein: „Selbstversorgung“ mit 40 Prozent, „Bewältigung von und Umgang mit krankheits- und therapiebedingten Anforderungen“ mit 20 Prozent, „Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte“ mit 15 Prozent und „Mobilität“ mit 10 Prozent.

Eine Besonderheit betrifft die beiden Module „kognitive und kommunikative Fähigkeiten“ und „Verhaltensweisen und psychische Problemlagen“: Hier fließt der jeweils höhere Punktwert in die Gesamtwertung ein, der mit 15 Prozent gewichtet wird. Aus dem Gesamtpunktwert wird der Pflegegrad abgeleitet.

Erfahrungsgemäß neigen viele Pflegebedürftige dazu, im Gespräch mit dem Gutachter ihre Fähigkeiten besser darzustellen als sie in Wirklichkeit sind. Vielleicht weil sie sich schämen oder weil sie befürchten, ihre vertraute Umgebung verlassen zu müssen. Vielen Menschen, die ihr Leben gut gemeistert haben, fällt es sehr schwer, im Alter Hilfe anzunehmen – vor allem durch fremde Personen. Ganz besonders im persönlichen und intimen Bereich. Deshalb unser Tipp: Pflegende Angehörige sollten beim Besuch des Gutachters unbedingt anwesend sein und ihn über den tatsächlichen Hilfebedarf informieren.

Sehr häufig sind Pflegebedürftige körperlich zwar noch in der Lage, einzelne Tätigkeiten (z.B. Kämmen oder Waschen) auszuführen, aufgrund Abbaus der geistigen Fähigkeiten tun sie es aber nicht oder nicht richtig. Auch auf solche Umstände müssen Angehörige den Gutachter hinweisen.

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Wie wir wissen, nehmen mit fortschreitendem Alter der Pflegebedürftigen die körperlichen und geistigen Kräfte weiter ab. Von daher folgender wichtiger Hinweis:

Beizeiten sollten die Pflegebedürftigen die Angehörigen ihres Vertrauens umfassend schriftlich bevollmächtigen, in ihrem Namen alle Angelegenheiten der Pflege- und Krankenversicherung wahrnehmen zu dürfen. Wenn eine solche Vollmacht nicht vorliegt und die pflegebedürftige Person so stark geistig abbaut, dass sie diese Angelegenheiten nicht mehr nachvollziehen kann, muss unter Umständen vom zuständigen Amtsgericht eine gesetzliche Vertretung („Betreuung“) angeordnet werden, siehe dazu den Beitrag "Selbstbestimmt statt bevormundet.".

Die Pflegeversicherung. Gut, dass es sie gibt!

franke

Wir wollen alt werden, aber nicht alt sein. Mit diesem Wort wird ein Dilemma beschrieben. Jeder Mensch möchte ein hohes Alter erreichen. Dank der guten medizinischen Versorgung, den allgemein guten hygienischen und Wohnverhältnissen sowie der ausreichenden Versorgung mit Nahrungsmitteln steigt in den Industrienationen der Anteil alter Menschen seit Jahrzehnten kontinuierlich an. Mehr als 15 Millionen Menschen in Deutschland sind über 66 Jahre alt. Nach Vorhersagen soll diese Zahl bis 2040 auf rund 21,5 Millionen Menschen steigen. Diese an sich erfreuliche Entwicklung hat allerdings eine negative Begleiterscheinung: Im hohen Alter nimmt der Hilfebedarf zu, ab 80 Jahren sogar rapide. Immer mehr Menschen in Deutschland werden daher pflegebedürftig.

Früher war Pflegebedürftigkeit weitgehend eine Angelegenheit, mit der die Familie allein klarkommen musste. Heute haben wir in Deutschland und anderen Industrieländern allerdings eine andere Familienstruktur als noch vor 80 Jahren. Die Menschen haben weniger Kinder, die sich um sie kümmern können, und nicht selten leben die Kinder in einer anderen Region. Sind die pflegebedürftigen Eltern weit über 80, haben die Kinder oft bereits selbst die 60 überschritten und sind bei allem guten Willen vielfach nicht in der Lage, die Pflege ohne Hilfe zu „stemmen“.

Betroffene und Angehörige empfinden den „Pflegefall“ daher oft als einen Schicksalsschlag. Nichts ist mehr wie vorher! Hinzu kommt die seelische Belastung. Einen nahestehenden Menschen dauerhaft hilfebedürftig zu sehen, das geht an die Substanz. Schwer zu verkraften ist es auch, miterleben zu müssen, wie sich bei einem nahestehenden Menschen die Persönlichkeit immer mehr verändert. Es ist nicht mehr der Mensch, wie er immer war. Wir haben erkannt: Pflegebedürftigkeit ist ein Lebensrisiko, das jede Familie treffen kann.

Nach langen und heftigen politischen Diskussionen wurde 1995 die Gesetzliche Pflegeversicherung als Pflichtversicherung eingeführt. Sie nimmt den Betroffenen bei weitem nicht alles ab, aber sie hilft bei den zahlreichen Aufwendungen, die bei einer Pflegebedürftigkeit anfallen – sei es im häuslichen Bereich, sei es in einem Heim.

Ziel der gesetzlichen Regelungen war es stets, den Pflegebedürftigen möglichst lange ein Leben in der vertrauten Umgebung zu ermöglichen. Dafür sprechen nachvollziehbare menschliche, aber auch finanzielle Gründe. Immerhin werden aktuell rund 85 Prozent der Betroffenen häuslich gepflegt, 15 Prozent leben in einem Pflegeheim. Noch eine Zahl ist beeindruckend: 61 Prozent der zuhause lebenden Pflegebedürftigen werden ausschließlich durch Angehörige versorgt.

Inzwischen erhalten 4,9 Millionen Menschen Leistungen der Pflegeversicherung. Anfangs wurden bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit ausschließlich körperliche Defizite zugrunde gelegt und vorwiegend körperbezogene Hilfen gewährt. Obwohl damals schon Demenz ein Thema war, hatte die Politik geistige und psychische Defizite bei der Einstufung bewusst ausgeklammert. Auch waren die Leistungen stets „gedeckelt“. Absicht war, die Beiträge von Arbeitnehmern und Arbeitgebern für die Pflegeversicherung in einem gewissen Rahmen zu halten. Ohne diese Einschränkungen hätte es damals für die Einführung dieser Versicherung wohl keine Mehrheit im Parlament gegeben. In der Folge beschränkte sich die Unterstützung durch die Pflegeversicherung im Wesentlichen auf die „Verrichtungen des täglichen Lebens“. Damit waren gemeint: Körperpflege, Toilettenversorgung, Ankleiden, Nahrungsaufnahme, Bettlagerung. Ausdrücklich hieß es, dass Beaufsichtigung, Förderung und soziale Betreuung nicht zum Leistungsumfang der gesetzlichen Pflegeversicherung gehören.

In den letzten fünfzehn Jahren etwa kam es hier zu einem grundlegenden Wandel. Infolge der zunehmenden Hochaltrigkeit ist der Anteil dementer Menschen an den Pflegebedürftigen weiter stark angestiegen. Inzwischen gelten 1,7 Millionen Menschen in Deutschland als dement.

Medizinische Hilfen können unseren Körper oft länger fit halten als unser Hirn. Demenz ist darum seit Jahren ein Thema in den Familien, in den Heimen und Kliniken und sie wird in der breiten Öffentlichkeit, nicht zuletzt in Fernsehberichten und sogar Spielfilmen eindrucksvoll thematisiert.

Pflegeversicherung 2.0

Die Politik geriet immer mehr in Zugzwang, denn angesichts der massiven Hilfebedürftigkeit dementer Menschen konnte man hier nicht länger wegschauen. Als erste Maßnahme führte man ergänzende Leistungen für „Personen mit eingeschränkter Alltagskompetenz“. Auch Elemente von Betreuung wurden allmählich in den Leistungskatalog aufgenommen.

Schließlich setzte sich auch in der Politik die Erkenntnis durch, dass es bei der Pflegebedürftigkeit keine Unterscheidung mehr hinsichtlich der Ursachen geben darf. Körperliche, geistige oder psychische Ursachen sollen gleichrangig berücksichtigt werden.

Im November 2015 – also gut 20 Jahre nach dem Inkrafttreten der Versicherung – beschloss der Deutsche Bundestag dann mit dem „Zweiten Pflegestärkungsgesetz“ endlich grundlegende Änderungen bei der Pflegeversicherung. Darin ist festgelegt, Pflegebedürftigkeit neu zu definieren.

Der frühere Pflegebedürftigkeitsbegriff war zu stark an körperlichen Einschränkungen orientiert. Der Betreuungsbedarf geistig beeinträchtigter Menschen blieb weitgehend unberücksichtigt. Die Begutachtung war defizit- und nicht teilhabeorientiert. Der Pflegebedarf war verrichtungsbezogen definiert, der Objektivität vortäuschende zeitliche Bedarf taugte nicht als Messinstrument.

Das geänderte Gesetz beinhaltet vor allem einen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriff und führte ein neues Instrumentarium für die Begutachtung ein. Die unterschiedliche Bewertung von körperlichen Einschränkungen einerseits und geistigen sowie psychisch verursachten Einschränkungen andererseits gehört endlich der Vergangenheit an. Es wird nur noch darauf abgestellt, welche Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten bei den betroffenen Menschen vorliegen.

Definition der Pflegebedürftigkeit

  • Pflegebedürftig sind Personen, die gesundheitlich bedingte Beeinträchtigungen der Selbstständigkeit und Fähigkeiten aufweisen und deshalb der Hilfe durch andere bedürfen.
  • Es muss sich um Personen handeln, die körperliche, kognitive oder psychische Belastungen oder gesundheitlich bedingte Belastungen oder Anforderungen nicht selbstständig kompensieren oder bewältigen können.
  • Die Pflegebedürftigkeit muss auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate bestehen.

Neuer Maßstab für Pflegebedürftigkeit

  • Grad der Selbstständigkeit bei der Durchführung von Aktivitäten oder Gestaltung von Lebensbereichen
  • Abhängigkeit von personeller Hilfe
  • nicht nur bei einigen Verrichtungen der Grundpflege
  • sondern in allen relevanten Bereichen der elementaren Lebensführung
  • Grad der Selbstständigkeit statt Zeitaufwand

Seit 1. Januar 2017 gibt es fünf Pflegegrade, die für alle Pflegebedürftigen unabhängig von der Art ihrer Beeinträchtigung gleichermaßen gelten.

Im Rahmen dieser Publikation ist nur eine Übersicht über die zahlreichen Regelungen und Leistungen möglich. Empfehlenswert ist der „Ratgeber Pflege“, zu beziehen bei:
www.bundesgesundheitsministerium.de. Hilfreich für betroffene Familien ist auch der „Ratgeber Demenz“, ebenfalls dort zu beziehen oder herunterzuladen. Betroffene und Ihre Angehörigen sollten auf jeden Fall die Beratungsangebote durch die Pflegekassen (Krankenkassen) nutzen.

Ohne Beiträge geht es nicht

Wie jede Versicherung benötigt auch die Pflegeversicherung Einnahmen. Seit 1. Juli 2023 gilt ein Beitragssatz von 3,4 % bezogen auf das sozialversicherungspflichtige Einkommen. Bei Arbeitnehmern übernimmt der Arbeitgeber immer 1,7 %. Versicherte, die mindestens ein Kind aufgezogen haben, zahlen generell ebenfalls 1,7 %, und zwar lebenslang. Kinderlose Personen zahlen 0,6 % mehr. Die Einkommensgrenze, bis zu der Beiträge für die Pflegeversicherung und Krankenversicherung erhoben werden („Beitragsbemessungsgrenze“), liegt 2024 bei 5.175 Euro monatlich.

Das Bundesverfassungsgericht verlangte mit Urteil vom 7. April 2022 zusätzliche Entlastungen für Familien während der Erziehungs- und Ausbildungsphase. Daher wird Arbeitnehmern seit 1. Juli 2023 für das 2. bis 5. Kind unter 25 Jahren ein Abschlag von 0,25 % gewährt. Es gelten also folgende Beitragsätze: bei 2 Kindern 1,45 %, bei 3 Kindern 1,2 %, bei 4 Kindern 0,95 %, bei 5 und mehr Kindern 0,7 %. Nach der Erziehungs- und Ausbildungsphase gilt für Eltern dann wieder der Beitragssatz von 1,7 %.

Eine abweichende Beitragsregelung gilt im Bundesland Sachsen, das bei der Einführung der Pflegeversicherung keinen Feiertag gestrichen hatte. Dort tragen Arbeitgeber durchgängig 1,2%, die Beiträge der Arbeitnehmer sind um 0,5 % höher.